Mit Max und Würsten zum Geburtstag in der Oper

Max war schon in Salzburg d i e Katastrophe. Man sollte mit einem Kalabresen nie die Sterne vom Himmel holen. Wollten wir aber. Innocent hatte bereits geplant: «Max feiert nur einmal seinen 40.! Wir zeigen ihm ein bisschen den Norden? Salzburg und das Sacher? München und die Oper? das ist unser Geschenk!»
DA HATTEN WIR DANN DAS GESCHENK, ABER DAS KANN ICH EUCH LAUT SAGEN!
Also: Max ist unser römischer Freund. Er ist in einem Dorf in Kalabrien aufgewachsen. Mit 28 erst ist er von daheim ausgebüxt (Hotel Mamma!). Hat sein Psychologiestudium in Rom auf die Reihe gebracht. Als Psychologe mit gerahmtem Master-Diplom verdient er sich sein Geld allerdings als Bus-Kontrolleur in der Ewigen Stadt. Und wenn man ihm glauben will, sind es vor allem Nonnen und Priester, die schwarzfahren.
Max verdient 1100 Euro im Monat.
DAGEGEN WÄRE NICHTS ZU SAGEN.
Aber wie schon der Name «Max» sagt, tobt er, wenn ihn die Leute «Massimo» nennen. Er hat mit seinem Land, das nur von Pfaffen und Arsch­löchern regiert werde, gebrochen. Er ist frustriert, dass ihm sein Vater heute noch jeden zweiten Monat eine potenzielle Braut aus dem Süden «nur zur Begutachtung» vor seine Römer Haustüre schickt. Und er sieht sein Glück jenseits des ­Stiefels. Möglichst nördlich.
Sein heissester Wunsch wäre: DJ in New York! Oder eben: DJ Max? «Mäx» gesprochen.
Die Italiener sind Träumer. Und auch wir Nordländer träumen weiter davon, dass Italien das Land der dampfenden Pasta und der schmetternden Tenöre sei. Tatsachen sind: der Chinese an der Ecke und Lady Gaga ab Kopfhörer.
Als wir Max zur Geburtstagsfahrt abholten, trug er nur eine alte Reisetasche mit sich. Wir dachten, der Anzug für die Münchner Oper würde da etwas arg verknittert ? ABER ES GAB KEINEN ANZUG. Nur Würste. Seine liebe Schwester hatte ihn, als sie vernahm, dass ihr Lieblingsbruder ans Ende der Welt wegreisen würde, mit kalabresischer Coppa (den sie Capocollo nennen), dicken Pfefferwürsten und getrockneten Tomaten eingedeckt. Dazu noch drei Kilo von diesen Broten, die jede Mutter südlich von Neapel in einer Holzkiste trocknen lässt. Und mit denen dann diese schrecklichen Morde passieren, weil man damit jeden problemlos erschlagen kann.
«Wo sind deine Kleider?»
«Ich brauche keinen unnötigen Tand?», sagt Max schroff. Politisch steht er nämlich extrem links. Und auf der grünen Aue. Max verdammt die Konsumgesellschaft und das Waschpulver, das die Flüsse verschmutzt.
Entsprechend schauten die Leute vom Salzburger «Sacher» etwas kritisch, als «der Herr Max» mit seinem angerissenen Reisesack sie anfauchte: «Den trage ich selber!» Als Trinkgeld säbelte er dem Zimmerkellner ein Stück vom Salami ab.
Spätestens als unser Freund dann vom Frühstücksbuffet sämtliche Miniatur-Konfitürengläser abräumte und beim Kellner ein Tupperware-Geschirr für die Weisswürste verlangte, wusste Innocent: ES WAR EIN FEHLER!
Allerdings muss man sagen, dass Max sich von Herzen über all das Schöne des Salzburgerlandes freuen konnte. Als Liesel ihn an ihren mit allerlei Drahtgeflecht hochgeschnallten Busen drückte, wäre dies jedoch schier ins Auge gegangen. Ein Drähtlein platzte ? und Max direkt in die Nase, sodass diese bald einmal dem unvergesslichen Zinken von Heinrich Gretler ähnelte. DAZU DER ANGERISSENE REISESACK! Mehr brauchen wir nicht zu sagen.
Als dann auf dem Münchner Marienplatz die ersten Barmherzigen unserem Max ein paar Münzen zusteckten, hatte Innocent genug: «Jetzt gehen wir zum Loden-Frey. So kannst du heute Abend eh nicht in die Oper?»
Ich wollte mir das nicht antun. Und wartete vis-à-vis in diesem wunderbaren Kaffeehaus mit den Mokka­torten. Als die beiden endlich wieder auftauchten, hatte es keine Mokkatorten mehr.
Max humpelte in schwarzen Schuhen an, griff sich immer wieder verzweifelt an den Hals, wo plötzlich eine knallrote Krawatte ein plissiertes Baumwollhemd aufrüschte, und zog alle drei Schritte die nachtblauen Hosen hoch, weil diese viel zu weit waren und Innocent beim Gürtel gespart hatte («So. Jetzt reichts. Wir wollen ihn ja nicht ausstaffieren!»).
«Ich weiss nicht ob Mendelssohns ­Sommernachtstraum und Neumeiers moderne Inszenierung das Richtige für seinen Geburtstag sind?», meldete ich Bedenken an.
«Blödsinn. Die Italiener sind schliesslich ein ­Kulturland?» Innocent wandte sich an Max. «Du warst doch sicher auch schon mal im Ballett?» «Klar», nickte er stolz, «An der Festa dell?Unità hat der kommunistische Parteivorstand als Jux immer die vier Schwänchen getanzt und?» VOLLTREFFER!
«? wir können dann immer noch ins Hofbräuhaus mit ihm», flüsterte ich dem belämmerten Innocent zu.
Nachdem Oberon ein paar Runden gedreht und Puck mit Spagatsprüngen begeistert hatte, stiess mich Max in die Seite: «Wann passiert hier eigentlich etwas?»
Er packte seine Pfefferwurst aus und «pschhhht!» zischte die Münchner Schickeria verärgert in unserer Reihe. Sie ärgerte sich noch mehr, als sie in der Pause zehn Minuten warten musste, bis Max endlich wieder in seinen Schuhen steckte und den Weg frei gab.
«Ich glaube wir gehen jetzt ins Hofbräuhaus und schenken uns den Hochzeitsmarsch?»? flüsterte ich zu Innocent.
Statt des Münchner Opernorchesters genossen wir dort dann die «Sauhaxerl-Buaben» und deren «ein Prooosit? ein Proosit», das sie alle 15 Minuten von den Tuba donnerten.
Für unsern Gast haben sie gar «Happy Birthday» intoniert. Die japanische Kellnerin im Dirndl schleppte für alle «Schweinshaxerln an Biersauce» an.
«Uno stinco», strahlte Max, «das essen wir in ­Kalabrien auch?»
Und dann schaute er verträumt über die Humpen: «Ich will ja kein Chauvinist sein und diese ­Theatermusik war sicher ganz ordentlich ? doch in Kalabrien hat unser Kommunisten-Vorstand besser getanzt?»
Zum 50. will Max in eine Disco von Manhattan.
Aber da sind wir nicht mehr dabei.

Dienstag, 3. Dezember 2013