Irische Fasnacht

Fasnacht schreibt 1000 Geschichten. Von der Liebe. Vom Tod. Lustige Histörchen. Tränenpoesien. Na ja - was das Leben halt so bringt.
Die folgende Episode ist den «Aigedlige» passiert: eine Marching Group aus Dingle, dem Südwesten von Irland, hatte sich letzte Fasnacht nach Basel verirrt. Sie hatte viel von diesem verrückten «Festival» mit Trommlern und Pfeifern gehört. Nun wollten sie das alles miterleben. Natürlich auch trommelnd und pfeifend - im Irish- Sound, versteht sich.

Weil die «Aigedlige» wie alle kleinen Schyssydräggzigli ein grosses Herz haben, liessen sie die Iren am Morgestraich bei sich einreihen. Mittags ging man gemeinsam auf den Cortège. Mal pfiffen die Irländer irisch, mal ruessten die Aigedlige à la Bâloise.
Die Irländer haben die Basler Fasnacht in vollen Zügen genossen. Grosser Abschied am Donnerstagmorgen, Umarmungen - und die Einladung: «Ihr kommt ans Folk Festival nach Dingle!»
So sind Anfang Mai also 25 Aigedligi mit Piccolos und Kübeln sowie im Charivari durch den 2000-Seelen-Ort mit den 35 Pubs gezogen. Die Basler haben feinfühlig alle englischen Märsche aus dem Repertoire gestrichen. Der einzige Fauxpas war amerikanisch: «Uncle Sam». Die Leute im Dorf reagierten abweisend. Die Aigedlige gingen der Sache nach: Einer der Verse erinnerte an die Konflikte mit England.

Das Folk Festival von Dingle findet vorwiegend abends in den Pubs statt. Auch die Aigedlige besuchten diese Pubs - in einem war der Empfang eisig. Die Leute gaben sich wortkarg. Nach dem zweiten Basler Marsch und dem dritten Irish Whiskey wurden die Zungen etwas lockerer: Das Pub war das Stammlokal einer «verfeindeten» Marching Group der irischen Gastgeber. Die beiden Gruppen hatten seit 50 Jahren kein Wort mehr miteinander geredet.

Die Aigedlige erzählten den «Feinden», dass früher die Tambourmajoren in Basel auch aufeinander losgegangen seien. Dass die Fasnacht aber nur gedeihen könne, wenn Toleranz geübt werde. Und jeder den andern auf seine Art respektiere.
Schweigen im Lokal.

Und die Basler brechen die Stille mit dem Wettstaimarsch.
Am folgenden Tag stand die Jam-Session im Stammlokal der Basler-Irländer-Group auf dem Programm. Und als so richtig die Post abging, zeigten sich da plötzlich auch ein paar Trommler und Pfeifer der verfeindeten «Group» unter der Türe. Sie holten ihre Instrumente hervor. Und spielten mit - zum ersten Mal nach 50 Jahren.

Das Ende vom Lied: Die Basler haben den Frieden wiederhergestellt - aigedlig gehört der Friedensnobel-Preis 2006 den Aigedlige. Den werden sie wohl nicht bekommen. Aber wieder Besuch aus Irland. Denn im Dezember haben ein paar Aigedlige den beiden Groups in Dingle gezeigt, wie man Larven cachiert. Und eine Laterne bastelt. Nun hocken die einst verfeindeten Groups Abend für Abend zusammen, um Laternenwände zu Hintermalen. Und Perücken zu leimen - sie fiebern gemeinsam auf den Morgestraich hin und werden in den nächsten Tagen wohl hier am Rhein bei den «Aigedlige» einfliegen.

Sollten Sie aber heute in einer Woche ein Grüpplein mit irischen Basel-Märschen vorbeiziehen sehen, so könnte es wohl sein, dass die Irland-Basel-Gruppen gemeinsam auch den «Uncle Sam» anstimmen.
Denn Toleranz ist die Basis, die nicht nur die Fasnacht ausmacht. Sondern das ganze Leben.

Montag, 27. Februar 2006