Haarig

Mein Haar ist mein Stolz. Na ja - war.
Ich meine: So wie die Ranzenpneus im Alter zunehmen, nimmt die Lockenpracht parallel dazu ab. DAS ALTER IST HAARIG - wenn ihr mich fragt.

Es passierte in einem dieser Hotelbadezimmer, wo alles verspiegelt ist, damit diese Schuhschachtelkojen ein bisschen grösser wirken. Ich stehe vor dem Spiegel. Ich drücke zwei Mitesser aus.
Und ich erstarre mitten im Drücken - denn der Spiegel an meiner Rückfront zeigt mir die Haarpracht nun auch von hinten. UND DAS IST KEIN SCHÖNES LUGEN - KEINE ÜPPIGE PRACHT.
Um ehrlich zu sein: So hat Oeschter Göpfis Legehenne in der Mauser ausgesehen. Das arme Huhn hatte das, was meine Kembserweg-Omi «das Pfüpfi» nannte. MEIN HINTERKOPF IST IM PFÜPFI-STADIUM!
Was tun? Zuerst werfe ich eine dieser Pillen ein, die das Leben auch nach der Tagesschau noch rosig machen. Dann rufe ich Innocent.
Er ist nun wirklich das, was man als «haarig» bezeichnen kann. In seinem hohen Alter zeigt er eine Mähne, welche jedes Wella-Model vor Neid erblassen lässt. Er behauptet, seine Haarpracht komme daher, dass er die Haare nur selten wasche. Ich behaupte: alles genetisch bedingt. Denn auch seine liebe Mutter war haarig. Innocent kommt also herbeigehumpelt: «Was iss?»
Ich zeige auf meinen Hinterkopf: «Was siehst du?» «Nichts!» «Eben», jaule ich auf, «NICHTS MEHR. Ich verliere Haare?»
Innocent: «Jetzt mach nicht so ein Theater? Kojak lutschte sich kahl durchs Leben und war trotzdem super.» KOJAK? Ich werfe nochmals eine Pille ein.
Herr Felix, mein Arzt für alle Fälle, fällt das Urteil: «Das ist gar nichts. Das ist das Alter. Nach 60 lichtet sich halt der Wald? haha!»
NA BINGO.
«Meine Grossmutter hatte einen Zopf bis 80?» Herr Felix bleibt unbeeindruckt. «Frauen ticken haargenetisch anders. Nur ganz wenige bekommen eine Glatze.» EINE GLATZE? Soll das etwa heissen, dass ich bald wie eine Bowlingkugel herumrollen werde? OH NEIN.
Ich überlege, wie meine Grossmutter ihren Zopf gepflegt hat. Einmal pro Woche hat sie ein Ei draufgeschmiert. Und das Haar mit Bier gespült. NEIN DANKE. Es muss doch andere Mittel geben. In der Apotheke raten sie zur Hirsekur.
Und Herr Zannussi, mein Figaro: «Am besten wir schneidens ganz kurz. Dann merkts keiner?»
Wie ich geschoren heimkomme, schaut Innocent von der Zeitung auf: «Was ist denn DAS? Du siehst aus wie ein Huhn, welches das Pfüpfi hat. Weisst du, was das Pfüpfi ist?»
Er kratzt demonstrativ in seinen üppigen Locken. Wie gesagt: alles genetisch. Schon seine Familie hatte zünftig Haare auf den Zähnen?

Montag, 14. Mai 2007