Geburtstagstafel auf der Insel und Zuckerfäden...

Mittwoch - Innocent ist für seinen Geburtstag auf die Insel gekommen. «Ich will auf keinen Fall ein grosses Tohuwabohu», rief er, noch bevor er sich aus seinem Teeny-Flitzer rausgestemmt hatte. «Am liebsten soll es keiner erfahren!»

Dann hat er einen Tag lang in der Gegend herumtelefoniert, um so ganz nebenbei zu erwähnen, dass er am Donnerstag zufällig Geburtstag habe...
Der Gute geht nun auch gegen 80. Wie die Monroe, wenn sie's noch hätte erleben dürfen. Oder Graf Zeppelin.

O.k. Innocent feiert eigentlich seinen 70. Aber wenn man den hinter sich hat, hat man die runde 80 im Visier. Und das ist schon fast der Schritt in die Gruft.

Mein lieber Vater, der gegen die 90 schwankt, kann ein Liedlein davon trällern. Am Geburtstag hat er Innocent bereits um fünf Uhr morgens aus den Federn geschellt: «Nun gehts immer schneller... Dicker. Das Sensemännlein wetzt die Sichel, haha. Jahre sind ab 70 wie eine Mücke im Wind, zack. Und vorbei!»

«WEISST DU, WELCHE ZEIT JETZT IST?» - Das auf diese Art etwas unsanft geweckte Geburtstagskind verlor durch Vaters trüben Sensemann die Fassung.

«Es ist nie zu früh... und selten zu spät!», kalauerte der alte Herr in Basel. Und dann: «So ein junger Saicher wie du wird doch schon längst aus den Federn sein, nutze jede Minute, mein Guter. Es bleiben nicht mehr allzu viele - was macht mein Kind?» «Dein Kind hat mittlerweile auch den 58er auf dem Zähler und nimmt Pillen gegen Haarausfall», giftelte Innocent ungnädig.

Tatsächlich hatte sich das Kind auf leisen Sohlen in die Küche geschlichen, um Innocent einen Espresso ins Tässchen zu drücken. Daneben auf dem versilberten Tablett: ein Plattenwärmerkerzchen sowie ein Aufbackgipfel. Und dazu in zartem Sopran: «Auguuuuri per teee...» «Es ist noch nicht mal halb sechs», müffelte Innocent vorwurfsvoll. Dann schellte der Apparat wieder. Es war Liesel aus Salzburg: «Au mei... wo iss denn mei Hallodri, der Lausbueb, der tschepperte...?» Innocent verdrehte die Augen selig himmelwärts: «Jaa Lieselchen, mein süsses Zwetschgendatscherl... dei Hallodri hockt hier in der Heia und schön wärs, du wärst auch heiaheiada... hähä!» Dann zogen sie tonnenweise Zuckerfäden von der Insel bis Salzburg, dass selbst ein Salzfass an Diabetes erkrankt wäre. Und «Pusserl» hier. Und «Schmatzerl» da.
Und den Aufbackgipfel habe ich dann selber vertilgt...

Donnerstag - «Wir wollen keine Fete. Wir wollen ein trautes, kleines Festlein mit etwas Spaghetti und zwei, drei Tomätlein...» Das ist die Speisefolge, mit der er die ganze Insel zum Fest lockte und in Auftrag gab, den Wein selber mitzubringen.

KEIN WUNDER, HABEN DIE FRAUEN DES ORTS DIE SACHE SELBER IN DIE HAND GENOMMEN.

Sie haben alle Rinder geschlachtet und deren Ochsenschwänze mit kleinen Würfeln von Stangensellerie, Melanzani, Karotten und Lauch in Badewannen voll Rotwein gedünstet. Acht Stunden lang ist all das Fleisch auf seinem Gemüse im Ofen geschmort. Dann ist es ganz von alleine von den Knochen gefallen und gab so den herrlichen Inhalt für die Tortelli ab, welche Linda und Anna-Maria im Hof teigfingerlten.

Fische wurden geputzt. Tintenfische auf den Stein gehauen, Kaninchen wurden mit blühendem Oregano gefüllt und dem Speck aus Colonnata umwickelt. Junghühner kamen mit Salbei und Rosinen in den Bräter. Und in die Schweinefüsse wurden gehacktes Bauchfleisch, das mit jungen Pfefferschötchen, Rosmarin, Zucchini und Pinienkernen gewürzt worden war, eingefüllt und der «Zampone» dann neckisch mit Bast zugeschnürt.

Dicke Fettwolken stiegen zum Himmel, als die «Bombe», diese berlinerartigen Hefekugeln, im brodelnden Öl baden gingen. Ihr Innenleben ist ein Gedicht aus Holunder und Honig.

Als Höhepunkt wurden Hunderte von Spernocchi, diese scampiähnlichen Crustaceae, von geschickten Fingern aufgeschlitzt, im Weinsud 20 Sekunden blanchiert und schliesslich mit jungem Olivenöl, wenig Peperoncino und viel gehacktem Prezzemolo sowie dem Saft von jungen, grünen Zitronen angemacht.

Als der Bürgermeister Innocent dann vor die zehn Meter grosse Festtafel führte, welche die Weiber des Dorfs mit ihrem schönsten Kartontellern gedeckt und mit Mandelzweigen geschmückt hatten, da zeigte er sich doch gerührt: «Das geht aber tief, tief ins Herzlein...», sniefte er, «die guten, braven Leute. Wir wollen für sie doch eine Flasche vom Bessern aus der Cantina holen - hat es noch den Magdalener mit dem Kronkorken?»

Er geht gegen 80, aber immer noch denselben Weg...

Dienstag, 28. Juni 2005