Ein Papst und ein Waggis gehen eh nicht zusammen

über den Friedhof fegt eine Bise. Und wir fegen mit Mimosen über die Gräber. Die Mimosen sollen für unsere alten Fasnachtsfreunde blühen. Und natürlich tun wir das alles für Eigenbedarf. Will sagen: Wir baden in Erinnerungen und Gefühlen. Jedes Grab ist ein Stück «Ach weisst du noch?». Seit wir vor drei Jahren Pauls Mutter umsonst gesucht haben und uns schliesslich der Beamte auf dem Friedhofamt erklären musste: «Aber, aber meine Herrschaften - die 25 Jahre sind um. Und die liebe Mutter ist es auch!», da konnten wir Paulchen gerade noch auffangen.

Als er aus der Ohnmacht erwachte, flüsterte er mit Tränen in den Augen: «Das war das letzte Mal.» Seither toure ich mit Klein-Hütchen, meinem Friedhofsverhältnis, alleine zwischen den Grabsteinen herum. Und suche nach Leichen.
«Hier muss er doch sein», ruft Hütchen und bückt sich zum Grabstein. Dann hält sie sich den Rücken: «Ich werde in mein Testament setzen, dass es keine Grabsteinplatte sein darf. Man kann den Hinterbliebenen nicht zumuten, dass sie sich konstant den Rücken krumm beugen, nur um in Stein gehauene Namen lesen zu können? HIER LIEGT DEINE LIEBE MUTTER!»

Mein Vater streut mit tränenden Augen rosa Räppli herum. Er hatte deswegen bereits Zoff mit dem Friedhofsgärtner. Der Wind hat die Räppli nämlich auf andere Gräber geweht. Zum Teil auf Skifahrer-Gräber, deren Bewohner mit Fasnacht nichts am Hut hatten. DAS GAB ABER RIESENMAIS!
«Ich kann die Konfetti nicht anketten!», gab mein Vater gereizt seinen Kommentar ab. «Auf dem Grab meiner lieben Frau war vor drei Monaten ein abgebranntes Streichholz. Und meine Frau rauchte nicht! Da sollten sie mal etwas unternehmen!»
Vor Fasnacht ist auf den Basler Gräbern immer der Teufel los. Ganze Cliquen ziehen vorbei und ehren ihre Dahingepfiffenen mit einem Schluck und einem leise gemurmelten Wettstainmarsch. Das ist eben das Schöne an den Fasnächtlern - IHR ZUSAMMENHALT BIS ZUR LETZTEN MIMOSE.
Habe jedenfalls auf den Gräbern der Skifahrer noch nie ein paar Skihandschuhe liegen sehen?

Samstag - Habe mir in letzter Minute einen Fertig-Waggis gekauft. Das heisst: saudünne Hosen fixfertig. Socken fixfertig. Blouse (zu eng - ich sehe aus wie ein blau angelaufener Klöpfer) fixfertig. Und ich selber auch: fixfertig.
Tom, mein fitter Vetter, kriegt sich nämlich kaum ein: «So kannst du nicht auf die Strasse. Das sieht ja schrecklich billig aus?» «Hätte ich gewusst, dass es dich geniert, hätte ich mir von Mooshammer noch eine zweireihig geknöpfte Waggisblouse schneidern lassen!»
«Werd» nicht pietätlos. Aber wenn man schon eine unvorteilhafte Figur hat, sollte man diese nicht noch mit Billigstoff untermalen - du siehst aus wie eine schlecht verpackte Orgel!»

DAS SAGT MIR EINER, DER IN EINEM GELIEHENEN PAPST HERUMLÄUFT. MEINEM PAPST. Ich habe den Umhang an der Via Cesari gekauft. Die Via Cesari ist die Römer Bahnhofstrasse des Klerus. Hier findet man den Hermes und Louis Vuitton der Päpste. «Tout Clericâle» kauft hier. Auch ich. EINMAL nur wollte ich als Papst gehen. Dazu brauchts keinen Ausweis. Nur die Visa-Card.

Zu Hause kamen mir dann Bedenken: und was ist, wenn alle deine Hand küssen wollen. Dann sehen sie, dass du Wurstfinger hast?
So schaltete ich noch hurtig von Haute-Couture-Papst auf Billig-Waggis um. Den Papst habe ich dem Vetter verehrt. Er ist ein Langfinger und trägt Siegelring mit dem Wappen des Hammels. Sollen sie doch den Hammel küssen.
Und nun keift mich dieser falsche Heilige also an: «Ein Papst und ein Waggis gehen eh nicht zusammen!»

DAS SAGT MIR EIN BÜRGER AUS MUTTENZ, DER VOR VIER JAHREN NOCH VOR EINEM DUMMPETER EINEN KNICKS MACHTE, WEIL ER IHN FÜR DEN BASLER FASCHINGSPRINZEN HIELT. Ich meine: Dieses Weichei muss mir doch jetzt nicht die Fasnacht neu erfinden.
«An der Fasnacht sind alle gleich- ob Waggis oder Papst, Ospel oder Trudi Gerster?» Der Vetter rümpft die Nase: «Trommelt Trudi Gerster auch?» Die Fasnacht ändert sich - aber Muttenz bleibt Muttenz.

Sonntag - Highlight der Fasnacht ist die Nicht-Fasnacht vorher. Es ist der Sonntag vor dem Morgestraich.
Irgendwie knistert die Luft wie Backtrennfolie.
«Ich geh noch rasch an den Kraftapparat - damit ich morgen so richtig fit bin», brüllt Tom. Und zurrt auf dem Velo davon.
Zwei Stunden später rufen sie mich aus dem Land der stählernen Marder-Maschinen an: «Ihr Herr Vetter ist vom Laufband gespult - jemand hat seine Geschwindigkeit höher gestellt. Er spickte weg wie ein Golfball und?» Auf der Notfallstation wurde er zusammengegipst. Draussen weinten die Piccolos, welche die Laternen in die Stadt begleiteten. Und mein stahlharter Vetter heulte auch.

Nein - er tat mir nicht Leid. Meine fieberhaften Überlegungen gingen in Richtung Papst-Ersatz. Und dahin, dass wieder mal ein Papst-Attentat durchgeführt wurde, über das sich der Vatikan ausschweigen wird?

Dienstag, 15. Februar 2005