«WUFF!» - bellte der schwarze Hund etwas heiser. «WUFF? WUFF?»
Er wedelte vor dem Eisentörchen zu diesem Adelbodner Chalet, dessen Name immer mit Hunden verwoben war. MIT UNSERN HUNDEN.
Vater hat hier die drei Rauhaardackel, die ihn wie auch die Weiber ein Leben lang umschwänzelt haben, begraben, im Garten, nahe der Rosen.
Es war verboten. Aber er pfiff darauf, wie er auch auf das Gejammer der liebenden Gattin pfiff, als er den jungen Zwirbelhund in den Rucksack steckte. Und mit ihm den Flitzer bestieg.
«Hans - du spinnst», lamentierte Mutter. «Was ist, wenn du abstürzt und der Hund sich das Genick bricht?»
Zwirbels Genick war Mutter näher als dasjenige des Gatten.
Zwirbel war mein Geburtstagsgeschenk gewesen.
Dem ewigen Gestürm «ICH WILL EINEN HUND - ALS EINZELKIND HABE ICH EIN POLITISCHES ANRECHT DARAUF!», waren hochheilige Versprechen vorangegangen: «Ich werde immer mit ihm Gassi gehen?»
«Wers glaubt», seufzte Mutter.
Als mir der kleine Rauhaardackel dann im Körbchen überreicht wurde, rann der Korb. Mutter holte hurtig einen Lappen: «Böses Hundi? muss raus, wenn muss?» Zwirbel nahm es als Aufforderung. Und liess es gleich nochmals raus.
Die Familie lachte herzlich. Nur Mutter nicht. Sie wusste, was ihr das Schicksal da in den Korb gelegt hatte. Und übernahm auch hier sofort die Leine.
So wurden es Mutters Hunde. Der erste wurde von einem Adelbodner Buschauffeur überfahren. Da habe ich meinen Vater erstmals weinen sehen.
Der zweite kippte nach einer Überdosis Stalder-Schoggi-Creme einfach um. Das war in Südfrankreich. Mutter rief mich heulend an: «Wir sitzen schon im Auto und schmuggeln die Leiche über die Grenze?»
Auch diese Hundeleiche kam nach Adelboden unter die Rosen.
Der dritte tröstete meine Eltern darüber hinweg, als ich auszog. Später tröstet er auch meinen Vater, als Mutter zwei Jahre im Koma lag. Immer wenn er vom Krankenzimmer heimkam, sprang ihm der Dackel in die Arme. Vater streichelte seinen Kopf, während ihm die Tränen auf den Hund kullerten?
«WUFF!» - holt mich die Bernhardiner-Schnauzer-Mischung aus meinen Gedanken. Mit der Schnauze stiess er das Gartentor auf.
Innocent macht gleich eine Oper daraus. Als Kind hätte er immer gerne Hunde gehabt - Haustiere waren in der vornehmen Familie jedoch auf der Out-Liste. Nur ein Goldfisch war erlaubt. Und auch der nur aus einer Drogerie-Aktion.
«Der Hund ist ausgesetzt worden? wir behalten ihn?», ruft Innocent entzückt.
Ich habe ihm keine Kinder schenken können. Ich will ihm aber auch keinen Hund schenken. Denn jeder weiss, wer dann immer raus muss.
«Goootttliiieb!», ruft eine helle Stimme.
Da jagt der Hund auch schon wieder auf und davon. Jaulend wedelt er einer jüngern Wandersfrau mit Rucksack und roten Wollsocken entgegen.
«Wie kann man nur rote Wollsocken tragen?», knurre ich.
«Wie kann man einen Hund bloss?Gottlieb? nennen?», schüttelt Innocent seufzend den Kopf.
Dann schaut er mich herausfordernd an: «ICH hätte ihn?Kuno? getauft?»
So hatte er als Kind dem Goldfisch gerufen.
Der Hund am Tor
Montag, 19. März 2007