Zürcher

Walti knallte die Papierserviette auf den Tisch: «SCHEISS-ZÜRCHER!»
Hildi schaute leicht indigniert auf? immerhin hat sie ihre Wurzeln in Wetzikon.
Deshalb grollender Unterton: «WAS WETTERT IHR BASLER EIGENTLICH IMMER GEGEN DIE ZÜRCHER??»
Walti explodierte auf der Stelle: «Die glauben doch, nur sie seien die Schweiz. Jetzt geh mal das Fernsehprogramm von heute durch: nur Reportagen und Berichte aus Zürich? DAFÜR BEZAHLE ICH AUS BASEL DANN GEBÜHREN! GEHTS DENEN NOCH! Bern, Schaffhausen, Olten? das ist schliesslich auch alles Schweiz. Aber nein. Thematisch kreist für diese Fernsehpfeifen der Radius eng um den Zürichsee. ZUM KOTZEN, HILDI? ZUM KOTZEN!»
«Nimm ein Glas, Walti!»? Hildi schüttelte missbilligend den Kopf. Ihr Alter hatte in seinem Adrenalinschub die Bierbüchse direkt angesetzt. «Alle eidgenössischen Gelder fliessen nach Zürich? ALLE!? Für den Strassenbau? für einen neuen Bahnhof irgendwo in Oerlikon? für die Sprüngli-Trüffel?»
Hildi füllte die Erdnüsschen nach. Wenn Walti sich aufregte, schaufelte er sie handvoll rein: «Ich habe ein Silberlöffelchen zu den Nüsschen gelegt, Walti? wir sind hier nicht im Stall!»
«Nein? wir sind hier in Basel. Und berappen all diesen Zürcher Mist. Wir haben schon damals für die Swissair blechen müssen? und für den Bankenplatz Gelder locker gemacht? wir bezahlen für die ETH, für den Klotener Flughafen, ja wir Restschweizer bezahlen noch, dass wir am Fernsehen zuschauen müssen, wie es dem Zürcher Wattenmännchen die Rübe verknallt?!»
«Pass doch auf, Walti? jetzt ist dir schon wieder ein Nüssli auf den Teppich gefallen!»
Walti knurrte indigniert.
Elsie holte den Staubsauger.
Es war nichts mehr zu sagen. Nur noch: «? das zieht hier nicht mehr richtig?»
«Was zieht nicht mehr? Unser schönes Basel?»
«Nein? der Staubsauger. Wir müssen endlich einen neuen anschaffen. Es gibt da einen, der ist extrem saugkräftig und rundum durchsichtig. Einen Amerikaner?»
Walti wischte den Amerikaner gleich mal zur Seite: «Ein durchsichtiger Ami kann nichts Rechtes sein!»
Elsie wurde nun doch leicht gereizt: «Was ist eigentlich heute mit dir los? Zürich? Amerika? Bist du wieder verstopft??!»
«GAR NICHTS IST LOS», brüllte Walti, «ABER ICH LASSE MICH VON DENEN DA NICHT FÜR DUMM VERKAUFEN? SCHALTE JETZT ENDLICH AUF ARD. DORT KOMMT DIE?TAGESSCHAU? UND SICHER NICHT ZÜRICH?»
Elsie seufzte. Beim Schweizer Wetter wäre nämlich Bucheli dran gewesen. Und der Kleine mit dem Mopsköpfchen war ihr klarer Favorit auf dem Meteo-Dach. Doch Bucheli war jetzt vermutlich nicht das richtige Dialekt-Modul, um Waltis Laune zu erheitern.
Also drückte sie ARD? nicht ohne vorher den Tarif durchzugeben: «Immer muss es nach deinem Kopf gehen, Walti. Ihr Basler seid stur mit null Toleranz, NULL KOMMA NULL? ZERO!»
Pause.
Gereizte Stille, in welcher der Zeiger zu den Nachrichten tickt. Nur noch drei Takte Kürzestwerbung. Dann: 20.00 Uhr. Und die blonde Nachrichtenfrau lächelt in die Röhre: «Im europäischen Städteranking steht Zürich an erster Stelle?»
«LECK MICH!», brüllte Walti. Und zappte wieder auf SRF1.
«Also jetzt kannst du die Nüssli selber vom Teppich saugen?», tobte Hildi.
Dann schauten sie beide «SRF bi de Lüt».
«Bi de Lüt» war irgendwo im Zürcher Oberland.

Montag, 28. Oktober 2013