Wo steckt der Wurm?

Sie sind süss. In aller Munde.
UND HABEN JETZT SAISON!
Dabei sind sie heuer zu früh gekommen? wie pubertierende Primaner. Oder Osterhasen zum Advent.
Zusammen mit den Zwetschgen ist die Kirsche die drittbeliebteste Frucht in unserm Land. Fragt nicht weshalb. Und fragt nicht, wo die Banane steckt.
SIE IST EH NIE MIT KIRSCHEN ZU VERGLEICHEN.
Die Baselbieter Bauernhöfe offerieren die schwarzen Knaller im Direktverkauf. Dazu den hausgebrannten Kirsch. Und die heimgerührte Kirschenkonfitüre von der Ethno-Omi.
Keine andere Frucht im Baselbiet bringt so viel Lust am Stiel.
DOCH WIE SO VIELES IN DER NATUR IST AUCH DIE KIRSCHE IM UMBRUCH.
Ich meine: WO STECKT DER WURM?
Früher haben die dunklen Kracher noch ordentlich Fleisch mitgeliefert. Heute? Vegi-Kirschen! Einst ist die Stadtfamilie nachts aus der City zur Kirschenschlacht ausgezogen. Aufgeregt und heiss in Vorfreude auf verbotene Lust schlichen sich die Kirschendiebe an die Bäume. Grossmütter standen am Rollator Schmiere? die Beweglicheren pflückten, was das Zeug hielt. Man stopfte sich den Mund mit den kühlen, süssen Kügelchen voll, spuckte die Steine in die Abendkühle und entschuldigte das schlechte Gewissen mit den stadtsubventionierten Theaterplätzen, die ja zu 60 Prozent von Landschäftlern belegt würden.
VOR EINEM HALBEN JAHRHUNDERT PFLÜCKTE SICH JEDER STÄDTER DEN SÜSSEN FINANZAUSGLEICH DIREKT IN DEN MUND.
Fünf Körbe wurden gefüllt? zu Hause sah jeder die Bescherung: In den schwarzen Früchtlein winkte eine weisswurmige Überraschung. Wie helles Zahngarn ringelte sich das Unappetitliche im Innern der Frucht.
Da hing die Familie dann stöhnend und kirschenwurmbleich über dem Klo. Nur die Omi sah das Ganze weniger problematisch: «JETZT HALTET ABER MAL DIE LUFT AN! Im Krieg wäre jeder um einen Bissen Fleisch froh gewesen...»
Ihr Bonmot hat sie überlebt. Der Spruch ist auch jetzt noch am Familientreffen ein sicherer Lacher...
HEUTE ALSO KEINE WÜRMER MEHR!
Überhaupt hat sich die Kirsche gemacht. Sie sieht jetzt aus wie der Prallbusen von Dolly Buster nach der neusten Silikoneinlage. Die Haut ist nicht mehr schrumpelig und dünnrissig? sie ist knackig wie die Trimmärsche einer Mister-Schweiz-Wahlvorrunde. Kurz: Amerika hat seinen Big Mac? das Baselbiet sein Jumbo-Chriesi...
Für die Vögelchen ist diese neue Kirschenart eine harte Prüfung. Lediglich der Specht kann sich hier noch durchlochen.
Und der gute alte Kirschbaum, der einst in jedem zweiten Garten stand? Einer nach dem andern verschwindet. NIEDERSTÄMMIG? so klatschen sie uns das bäumige Schlagwort um die Ohren. Kein Leiternsteigen mehr. Und Todesanzeigen wie «der so abrupt Verblichene fiel beim Kirschenpflücken von der Leiter» sind Raritäten geworden.
Die neuen Kirschensträuche werden mit Stoffdächern abgeschirmt wie Hotelgäste vor dem «Ritz»-Eingang? JEDE WETTE: DAHINTER STECKT GEWISS WIEDER SO EIN DACHVERBAND...
Gestern hat in Wintersingen der Baselbieter Kirschentag stattgefunden. Wenn schweizweit drei von drei Valium aus Basel-Stadt stammen, so kommen zwei von drei Kirschen aus Baselland. UND HALLO? HIER WURDE DER WURM VON DEN LANDSCHÄFTLERN BESIEGT!
Nun steckt der dort lediglich noch in den Finanzen.

Montag, 4. Juli 2011