Hans zog an seiner Zigarette.
Die Umwelt hatte ihn mit dem Glimmstängel ausgegrenzt.
Fact war: dass die anderen drinnen in der Beiz eine Flasche nach der andern reingüllerten. Und er stand schlotternd hier an einer Tonne.
Im Freien.
Um das Ganze ein bisschen netter aufzumotzen, hatte die Wirtin ein Windlicht für die Raucher angezündet. Und einen Blechaschenbecher im Format eines Hundenapfs hingestellt.
Nun fielen auch noch fünflibergrosse Flocken vom Himmel. Plötzlich war der kleine Beizenhof schneeweiss bedeckt. Die Neonreklame tanzte als greller Hotspot über den Schneeteppich.
Für einen Moment lächelte Hans: tat eigentlich ganz gut, hier draussen zu rauchen. Drinnen waren sie nun sicher beim zwölften Fläschlein angelangt? und somit auch beim 14. Projekt, wie man die Welt endlich verbessern könnte.
NA PROST!
«Magst du eine Mandarine?»? ein alter und etwas verwahrloster Mann war plötzlich im Schneegestöber aufgetaucht. Er griff in seine FREITAG-Tasche. Klaubte die Frucht hervor. Und streckte sie Hans zu: «Sie bringt Gesundheit. Und Glück?»
Hans dachte daran, dass ihm die ganze Welt wegen seiner Raucherei den baldigen Tod prophezeit hatte. Und knurrte: «? danke. Kann beides brauchen!»
Das Männlein hustete: «Hast du mir etwas Geld? Das Glück ist nicht umsonst?»
Hans grinste. Suchte in seinem Sack nach Kleingeld. Und drückte es dem Alten in die Hände: «Wer bist du? Woher kommst du?»
Der Alte steckte die Münzen ein: «Ich bin ein Geist?»
Dann war er im Schneegestöber verschwunden.
Hans kehrte in die warme Beizenstube zurück. Die Kollegen waren bei Projekt 17 der Weltverbesserung angelangt. Und in einem hochprozentigen Stadium, das sie schwer verständlich machte.
Hans hätte mit Lucie gerne eine Nummer geschoben. Seit einem halben Jahr schon schwärmte er für sie? aber sie blieb immer kühl, war uneinnehmbar wie eine alte Burg.
Nun lief er neben ihr heimwärts. Es flockte noch immer, der Schnee setzte den Autos und Abfallkörben weisse Hüte auf. Hans hätte stundenlang neben Lucie hergehen können.
Plötzlich stand das Männchen vor ihnen: «Eine weisse Geisternacht?», kicherte es. Und drückte Hans wieder eine Mandarine in die Hände. «Sie bringt Glück?»
«? und das kostet!», lachte Hans. Und gab ihm einen Schein. Er war glücklich. Und weshalb sollte da das Männchen nicht auch glücklich sein?
Als sie weiterliefen, schaute Lucie ihn lange an: «Hast du den Mann gekannt?»
«Nein», sagte Hans.
Sie hängte ihm ein. Und lächelte: «Du bist ein seltsamer Mensch, Hans?»
Als er in ihre Wohnung kam, war da ein Parfum von Mandarinen.
Auf dem Stubentisch stand eine ganze Schale der orangen Kugeln.
«Er verspricht mir auch immer das Glück?», sagte Lucie leise. «Irgendwie schön? auch wenn wir für unser Glück bezahlen müssen!»
Sie schälte eine der Früchte. Und streckte Hans die Hälfte zu.
Es duftete nun nach vergessener Weihnacht.
Und Glück.
Draussen hatte es mit Schneien aufgehört. Ein plötzlicher Föhneinbruch schmolz die weisse Nacht zu Tränen.
Und es wurde ein ganz gewöhnlicher Tag.
Weisse Nacht...
Montag, 28. Januar 2013