Sie war ihm verfallen. Mit Haut und Haar. Und sie wusste: Es musste sich etwas ändern. Sie durfte ihm nicht einfach alles durchlassen. DESHALB: IM NEUEN JAHR WIRD ALLES ANDERS! Sie hatte sich vorgenommen, nicht mehr auf seine Schmusereien einzugehen. Und es nicht zuzulassen, dass er ganze Nächte herumstromerte. Ihre Freundinnen hatten schadenfroh von Nachwuchs berichtet und dazu gemeint: «Dein Alexej ist ein Don Juan vom Schnurrbart bis zum Schwanz»; so hatten sie beim Frauentreff ihre neue Beziehung zerpflückt. Okay. Ein Don Juan. ABER WAS FÜR EIN SCHNURRBART! WAS FÜR EIN SCHWANZ! Klar, dass diese vertrockneten Trauerasseln so etwas nicht checken konnten. Bei denen ging die Post doch nur noch ab, wenn bei Louis Vuitton Ausverkauf angesagt war.
Dennoch? ein paar der guten Vorsätze mussten eingehalten werden. Vor allem in der Küche. Alexej war ein Grand Gourmet. Wenn sie aus nahmsweise eine Büchse geöffnet hatte, schmollte er. Und: «Issjagut!», seufzte sie. Und knallte rasch ein Sole-Filet in die Pfanne. Sole-Filets mochte Alexej am liebsten...
Die Art der Begegnung war unkonventionell. Nachdem Anneliese eben wieder die Scherben einer intensiven Zweierkiste hinter sich aufgebeselt hatte, wollte sie nichts mehr dem Zufall überlassen. Alexejs Vorgänger war eines Nachts auf und davon. Und schickte auch keine Karte... Also rief Anneliese zögerlich ein Vermittlungsbüro an. Sie hatte eine sympathische Frauenstimme am Hörer. Und öffnete ihr Herz. «Ich brauche einfach jemanden, den ich bemuttern kann... Er sollte sauber sein. Da bin ich heikel. Und einigermassen treu...» Sie hüstelte: «... ich bin mir meiner
59 Jahre bewusst und erwarte keine Wunder... Doch ich bin eine gut situierte Witwe und...»? «OOOOHH», tönte die freundliche Stimme, «am besten, Sie kommen mal vorbei...»
Frau Bloch blätterte die zur Verfügung stehenden Objekte hin wie der Casino-Croupier die Poker-Karten. Als Anneliese dann Alexej sah, war es Liebe auf den ersten Blick: Er hatte die schönsten Augen von allen. Das war es, was zählte. Und vielleicht ein ganz klein wenig noch der Adelstitel: Alexej von Zacharow.
Nie würde Anneliese das erste Treffen vergessen? zuerst war der Auserwählte etwas eingeschüchtert. Vermutlich war ihm die Vermittlungsprozedur peinlich. Doch zu Hause taute er dann wunderbar auf.
Anneliese ging in die Küche: «Dann wollen wir mal etwas Schönes kochen...» Schon zitterte sein Schnurrbart vielversprechend. Die Köchin loderte wie ihre flambierten Scampi. Und obwohl sie sich schwor: NEIN. NIE BEIM ERSTEN MAL!? war er schon in ihrem Bett, noch bevor sie die Kontaktlinsen draussen hatte... Er blieb.
Mit der Zeit wurde Alexej jedoch anmassend. Er schmollte bei der kleinsten Verweigerung oder wenn ihm das Abendmenü nicht passte. Deshalb wollte es Anneliese nun noch im alten Jahr hinter sich bringen.
Sie lagen am Silvestermorgen beide im Bett. Anneliese kraulte Alexejs dichtes, traumschönes Haar. Dann gab sie sich einen Ruck:
«MEIN LIEBER, MORGEN BEGINNT EIN NEUES JAHR. DANN IST SCHLUSS MIT TÄGLICH FRISCHEN SOLE-FILETS. AB MORGEN WIRST DU DIESE SHEBA-BÜCHSEN ESSEN WIE JEDER ANDERE KATER AUCH!»
KLÄGLICHES MIAUZEN. Und schwerer Seufzer. «Na ja? zumindest einmal die Woche...» Es sind nicht Vorsätze, sondern Kompromisse, die uns das Glück erhalten...
Vorsätze
Montag, 31. Dezember 2012