Verflixte Mückenplage

Es war ein Schlachtfeld zwischen Ovomaltine und Kraft-Käsescheibletten. Die einen lagen bereits überfressen und total tilt auf dem Konfitürenglas. Die andern rappelten sich noch einmal hoch. Sie schwärmten ins Helle. Und machten sich einen schönen Tag: AN MEINER EBEN FRISCH GEPUTZTEN FENSTERSCHEIBE!

Ich meine: Da muss sich keiner wundern, wenn jemand zum Mörder wird.
«LIIINDAAA - was ist DAS!»

Die gute Seele schlurbt mit der Cognac-Flasche im abgewetzten Morgenmantel an. Nun balanciert sie gähnend die Brille mit dem linken abgerissenen Bügel auf die tropfende Nase, äugt auf meinen protestierenden Finger, der in Richtung Küchenfenster zeigt. Dann saugt sie geräuschvoll die Zähne an und keift: «Kommt von immer Essrestiges rumfahrig? in Jamaica wir nie Essrestig rumfahrig!»

O.k. Es ist politisch nicht korrekt, wenn ich meine 81-jährige Putzfrau aus Jamaica les Bains hier in derart wirrem Deutsch wiedergebe. Aber es ist politisch genauso wenig korrekt, dass sie sich seit 60 Jahren, die sie nun hier ihren Cognac säuft, weigert, dieses Deutsch zu erlernen. Grund: «Alles Leute verstehn mich - nur du nix verstahn, weil du dummes Dusselig!» Linda kippt einen Schluck vom Fusel. Ein schwarzes Mückchen, das eben entsetzt von der Kraft-Scheiblette aufsteigen wollte, gerät im Hochflug ins Torkeln. Lindas fuselige Atemwelle benebelt die Kreatur und gibt dem armen Insekt den Gong - Sturzflug. Und Exit.

«Was soll ich tun?», erkundige ich mich beim Sanitätsdepartement. Und - oh Wunder! - ich habe einen netten Mann in der Leitung, der mich gar nicht erst weiterverbindet: «Ach? BEI IHNEN AUCH?»
Dann erzählt er mir die Geschichte, wie er am Vortag ein ganzes Schlachtfeld von Mückenleichen mit dem Staubsauger auf seinem Fenstersims reingehoovert und danach die Küche frisch gestrichen habe: «Sie sind einfach da. Bei den Müllers nebenan auch. Die jagen jetzt gar Mäuse. Es muss mit dem Klima zusammenhängen. Ich sage Ihnen: Wir werden noch unser Wunder erleben!»

Das Mückenwunder habe ich ja nun. Mäuse habe ich keine. Diesbezüglich ist bei mir immer Ebbe.
In der Drogerie drücken sie mir einen gelben Streifen in die Hand: «Sie erinnern sich bestimmt noch an die alten Fliegenkleber?»

Ach Gottchen. Die verkleisterten gelbbraunen Bänder mit den schwarzen Fliegenleichen drauf waren für mich das, was die Zombie-Filme für die Binggis heute: Horror pur.
Der Horror hing in Oeschter Göpfis Bauernstube, wo die Fliegen wie schwarze Gewitterwolken um den Mist vor dem Stall vibrierten. Manchmal verirrte sich so eine Mistfliege ins Bauernhaus - na ja. Nicht nur manchmal. Eher öfters. Und dort hingen dann diese gelben Klebelocken von der Decke runter. Die dummen Fliegen: NICHTS WIE DRAUF! Und somit: Ende des Dramas.

Die heutige Form der Locklocke ist einfach ein gelber Streifen, den man auf die Fensterscheibe pappt. Schon schwirren die Mückchen an. Kleben fest. Das erspart einem gar das Hoovern - es erspart einem auch die Kocherei. Denn Appetit hast du nach dem Massenmord eh nicht mehr.

Linda hat dann mit aufgeschnittenen Zitronen, gesteckten Gewürznelken und gemurmeltem Voodoo-Zauber noch das Ihre zur Mückenplage beigetragen: «Muckig weg mit Katzigdreck?»
Na ja - jedenfalls muss die Küche frisch gestrichen werden!

Montag, 7. November 2005