Streik

Heute Morgen habe ich mir vorgenommen zu streiken! Ich wollte, dass Sie hier eine Kolumne ohne Worte und Ausrufezeichen vorfinden. Oder allerhöchstens zwei, drei Parolen wie: «NUN IST ABER GENUG HEU UNTEN!» Oder: «AUCH SCHREIBER SIND MENSCHEN!» Wie gesagt: Mir war sehr nach Streik zumute. Seit um mich herum alles streikt, streikt in mir der Wille, als Einziger noch den Tschumpel für alle zu machen. NICHT MIT MIR! (Das wäre die dritte Parole).
Also? eigentlich wollten wir an die Hochzeit meines lieben Neffen in Paris.
UNMÖGLICH. Die Taxis streikten. Die Metro streikte. Schon der Flugplatz streikte? also streikten wir auch: «Pardon, mon petit? ton petit oncle gros est en panne et en grève.»
Seiner Reaktion nach («et alors?») war ihm das scheissegal. Er heiratete trotzdem. Und ich werde ihm die sechs versilberten Löffel zur Geburt seines Sohnes (die Braut hatte es in sich!) später überreichen? so Frankreich nicht gerade wieder die Revolution ausruft.
Aus Italien wäre zu berichten, dass unser Gärtner mitten in der Olivenernte den Kamm abgab. In der Toskana werden die Oliven nämlich von den Ästen gekämmt? Gianni (mit Glatze und ansonsten kammlos) gab sein Instrument ab. Es ging ihm weniger um die zwei Euro mehr Stundenlohn als darum, dass seine lokale Fussballmannschaft nach Manchester eingeladen war: «Sie können dieses Jahr auf Ihr Öl pfeifen!», brüllte er ins Telefon. UND STREIKTE.
Dummerweise streikte dann auch Alitalia, weil sie nicht nach Frankreich verkauft werden will, wo eh immer alles streikt. Und so musste der arme Gärtner drei Nächte lang auf Manchesters Flughafenstühlen pennen? ich sags immer: GOTT STREIKT NICHT? ER IST GERECHT!.
Und als Ulla, unsere deutsche Freundin aus Hannover, eintreffen sollte, kam nicht sie, sondern ein SMS: «HOCKE IN FRANKFURT FEST? ZUGSTREIK!»
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, wo Vater zwar immer den Streik der Gewerkschafter gepredigt hat? aber bei uns Kindern keinen Aufgabenstreik duldete. Als meine liebe Mutter es wagte, in einem Zornanfall (die Schwiegermutter hatte wieder mal das Mittagessen mit Sticheleien aufgemischt und erklärt, ihr armer Hansi werde nicht richtig ernährt)? als meine Mutter also einen Berg von Tellern mit Goldrändli auf den Boden schmetterte und erklärte, sie habe das letzte Mal Fleischkiechli gekocht, man solle künftig in der Beiz das Sonntagsessen reinzwitschern, da wollte Vater vom Streik seiner Gattin nichts wissen: «Mach nicht blöd? du kennst sie ja!»
Mit «sie» war meine Omi gemeint. Und vielleicht wäre dies auch heute die vernünftigste Gesprächsbasis bei einem Streik: «Hört auf mit dem Mist? ihr kennt sie doch!»
Mutter jedenfalls hat weiter geküchelt. Und die Omi weiter gestichelt («viel zu viel Salz, Lotti? denk doch an den Blutdruck des armen Hansi»).
Heute Morgen also war es mir auch danach: STREIK! Das Baudepartement löcherte mich mit einem Loch direkt vor dem Haus? dies obwohl ein Homestory-Team zum Thema «festliche Toreingänge» angesagt war.
Innocent strich alle meine Kreditkarten («Hallo Sie da? sperren Sie sofort das Konto? ich bin für die Ausgaben meines Lebensgefährten nicht verantwortlich!»).
In all dem Stress habe ich natürlich das Weihnachtsschinklein im Blätterteigmantel vergessen. Es hätte für die Seite «Frohes zum Fest» abgelichtet werden sollen? nun kann ich es für die Energiebeilage als Alternativkohle fotografieren lassen.
ES IST NICHT MEIN TAG. Deshalb: STREIK. Aber wie ich dies eisig-cool meinen Kollegen auf der Redaktion durchgeben will, machen die auf zickig: «? was kümmert uns deine Schreibe! Wir haben auf ein neues System umgeschaltet? nun streiken alle Computer!»
Wir leben im Zeitalter der Streits und Streiks. Na dann: Friede auf Erden? und mir zwölf Prozent mehr!

Montag, 10. Dezember 2007