Starker Kaffee

Walter drückte auf START.
Die Lichter erloschen. Und am Frühstückstisch hörte Elsie ein verzweifeltes: «VERDAMMICH!»
«Was ist?»
«Die Kaffeemaschine hat den Geist aufgegeben...»
«Ich habs ja gleich gesagt!»
Walter schlurfte schlecht gelaunt zum Mager­joghurt und dem «Du darfst»-Aufschnitt: «Was hast du gleich gesagt?»
Elsie baute sich vor dem Korb mit den noch ­lauwarmen Frischbackgipfeli auf: «... weshalb hast du dir auf Weihnachten nicht so eine ­Nespresso-Maschine schenken lassen? So ein ­Kapsel-Apparat ist problemlos und...»
Walter stöhnte auf: «JETZT HÖR ABER AUF, ELSIE! TAUSEND MAL SCHON HABE ICH DIR VORGERECHNET, DASS DIESE KAPSELN TOTAL ÜBERTEUERT SIND. Bohnenkaffee aus der Espressomaschine kommt billiger...»
«WENN ER DANN KOMMT!», Elsies höhnischer Ton hatte das hohe C erreicht, «... wir können es schliesslich nicht mitnehmen...»
Walti schaute gequält hoch: «NEIN. ABER WIR HABENS AUCH NICHT, UM ES AUS DEM ­FENSTER ZU WERFEN!»
«Mein Gott!», Elsie verdrehte die Augen. Und musste sich anhören: «... weisst du, was heute so ein Pflegeplatz kostet, wenn es mit uns mal so weit ist? Da sind wir froh, wenn wir etwas auf der Seite und nicht alles in Kaffeekapseln investiert haben!»
«MEIN GOTT, ICH MUSS AUF CLOONEY ­VERZICHTEN, UM EINE BETTPFANNE SERVIERT ZU BEKOMMEN!»
Als sie den Frühstückstisch abgeräumt hatte, rief Elsie Martha an: «Dieser alte Geizkragen brabbelt mir immer etwas von Verarmung im Alter und Sparen vor... Ich werde ins Gras beissen, ohne einmal George Clooneys Maschine in meinen Händen gefühlt zu haben!»
Martha lachte. Und wurde sachlich: «... du hast doch noch den Geburtstagsbon von den Bridge-Club-Freundinnen...»
Mittags stand sie dann im Geschäft vor all den ­vielen Maschinen: «Welche ist die mit der Clooney-Kapsel?»
Der Verkäufer grinste: «Alle sind Clooney-tauglich...»
Später händigte er ihr die Quittung aus: «George wacht nun auch über Sie, Frau Schmidli...»
Als sie heimkam, werkelte Walti in der Küche. Er schälte etwas Silbernes aus einem Karton. ­«... das ist nur, weil wir in neun Monaten goldene Hochzeit feiern!»
Dann legte er stolz zwölf Rohre gefüllt mit ­Kapseln neben die Maschine: «Verdammt teuer!»
Elsie schniefte: «Ach Brummbärchen!» Sie zeigte auf ihre zwei riesigen Tragtaschen. Und dann mussten beide laut lachen.
Es klingelte. Und Martha stand vor der Tür. «Ich dachte, ich mache rasch einen Überraschungs­besuch. Und weil ihr ja bald goldene Hochzeit ­feiert, ist hier schon mal mein Geschenk... TATAAAA!»
Auch sie: zwei Taschen mit Clooney und Co.
Exakt in diesem Moment hörte man ein Knurren und Pusten. Die alte Bohnenmaschine hatte sich wieder in Bewegung gesetzt.
«Es war nur der Stecker!», schaute Walti verdutzt. «Ich habe den vorher rasch rausgezogen, um den neuen Apparat auszuprobieren und...»
«Vier Kaffeemaschinen im Haus», flüsterte Elsie überwältigt.
Und: «Wer mag einen Espresso?!», rief Walter gut gelaunt.
Er drückte auf START. Und man vernahm das laute Mahlen der Bohnen.
«Walti!», protestierte Elsie.
«Den Clooney gibts nur am Sonntag», hob dieser mahnend den Finger. Schliesslich haben wirs nicht, um es aus dem Fenster...»
Dann kam ein Stöhnen. Gurgeln.
UND SCHLUSS.
Die Bohnenmaschine hatte sich endgültig in den Exitus verabschiedet.
«Danke, George», flüsterte Elsie.

Montag, 14. Januar 2013