Rom ist nicht mehr Rom.
Gut. Gut. Das tönt jetzt nach Alten-Nörgelei und «Weisst du noch»-Geplänkel.
Tatsache aber ist, dass sich Rom verändert hat. Nicht nur Rom. Alle Städte. Auch Paris, London, Basel.
Städteplaner und die Zeit haben aus Wohnstädten Party-Zonen gemacht. Paris und London sind ein riesiges Tourismus-Disneyworld. Rom ist eine Ratzinger-Pilgerstätte und Tummelfeld von täglich Tausenden von Touri-Herden.
Wo einst die Öfen der Bäcker des Quartiers um vier Uhr morgens herrliche Wolken von frisch gebackenen Pizze und knusprigen Rosette verströmten, duftets jetzt nach Räucherstäbchen, Souvenir-Seifen und dem Schweiss der dahinkeuchenden Dreitagebesucher.
Die Metzger haben sich in die Aussenquartiere verzogen. Der Schuhmacher hat seine kleine Werkstatt an einen Sandwich-Streicher verkauft. Im «Centro storico», wo einst Millionen von Menschen lebten, sind wir gerade noch 50'000 Seelen, die hier ihr Domizil haben. Der Rest: Büros. Kleiderläden (die jedes Jahr wechseln). Die (auf der ganzen Welt) immer gleichen Discount-Parfümerien. Und alle drei Meter Pizza auf die Schnelle...
Man tut alles, um die Stadt zum Rummelplatz umzufunktionieren. Jeden Tag bringt irgendeine Partei für oder gegen Berlusconi den Verkehr zum Crashen. Megafone, Ballönchen und Pamphlete machen die «Demo» zur Riesenfete. Um die Sache gehts kaum jemandem? nur um Gaudi.
Das Leben hat sich aus dem Herzen von Rom verabschiedet? und dieses der Spassgesellschaft sowie den Billigflüglern überlassen. Wer das richtige Leben von Rom erleben will, flieht die Kulissen. Und geht in die Aussenquartiere, wo die offenen Märkte den Salat und die Bananen zur Hälfte des Centro-Preises anbieten.
Ausserhalb von Rom werden neue Quartiere hochgezogen? wer vor 30 Jahren noch nach Ostia zum Baden fuhr, hat auf dem halbstündigen Weg dorthin kilometerlange Pinienwälder gesehen. Heute: Wohnblöcke. Und Glasarchitektur. Der «Bonvento», der einst die Ewige Stadt abends mit einem kühlen Streicheln vom Meer auffrischte, wird jetzt durch die hohen Bauten gestoppt.
Manchmal sehe ich Parallelen zu Basel.
Die kleinen, heimeligen Läden haben kein Brot mehr? sie werden von den Verkaufsketten dieser Welt verdrängt. In Paris, Rom, Basel immer dasselbe Angebot, dieselben Billig-Ketten? nur sie können sich den Zins vom City-Disneyland leisten.
Es ist zwar wunderschön, in den alten Kulissen zu wohnen? aber man bezahlt es teuer. Und wird mit Schikanen bestraft: Park- und Autoverbot, Abfall und Lärm.
Wen wunderts, dass die Leute fliehen. Und ihr Glück auf der Landschaft suchen.
Das Wohnen mag hier zwar um einiges langweiliger sein als in den Citys. Aber schliesslich haben wir ja das Wochenende frei, um in der Stadt die Party-Welle aufzumischen.
Zugegeben: Die Städte sehen so heute alle schöner aus als früher? doch es ist reine Kulisse. Der normale Alltag mit allen seinen Gesichtern und Geschichten bleibt auf der Strecke.
Die Lösung?? Man kann die Zeit nicht zurückbuchstabieren.
Wir werden in und mit diesen Party-Städten leben müssen.
Die Jungen kennen es nicht anders. Und die Alten seufzen «Weisst du noch?» Entsprechend verstehen sich auch diese Zeilen als reine Alten-Nörgelei...
Spass-Städte
Montag, 3. Mai 2010