Sommer ist Sonnenschein.
NICHT NUR.
Sommer bringt auch Hängebäuche, die übers Bikinihöschen wabbeln.
Er bringt peitschende Hagelgewitter.
Vor allem aber bringt er eine Duftskala, die so irrwirr ist, als hätte einer die Nase in LSD getaucht. Genmanipulierte Rosen duften süss in den Gärten, Basilikum würzig von den Balkons?, und der Gartengrill der Hugentoblers beisst jetzt nonstop rauchig in unsere Nase.
Die Gartentomaten schmecken nach Strauch.
UND LEIDER DUFTEN AUCH VIELE UNSERER MITMENSCHEN. DIES, OHNE DASS SIE WIE DIE ROSEN GENMANIPULIERT WORDEN WÄREN.
Karl-Heinz Huber ist so ein Fall. Er stinkt sommerlich unfrisch.
UND DAS STINKT ALLEN.
Nicht, dass Herr Huber im Winter angenehmer einzuatmen wäre. Aber die Kälte wirft in jenen Tagen einen barmherzigen Mantel über seine immer etwas miefigen Strickpullover und die dunklen, wässrigen Schatten unter den Hemdsärmeln.
IM SOMMER ABER KOMMTS ARG.
Herr Huber erscheint jetzt mit fast gar nichts Schützendem über seinen menschlichen Abgasen. Kurz: Er schweisselt schweinisch vor sich hin. Und dieser Schweiss vermählt sich mit dem Duft einer unausgelüfteten Wohnung, nicht abgeschüttetem Blumenkohlwasser und einer WC-Ente, dies auch nicht mehr bringt.
ES IST DIESES FEUERWERK AN DÜFTEN, DAS KARL-HEINZ HUBER AUSMACHT. Und an dem ihn jeder Wetten-dass-Kandidat mühelos unter hundert andern ausmachen könnte.
Nun. Die Welt steckt voll von Geschmackvollem. Und irgendwo steckt immer ein Herr Huber. Ganz arg wirds dann, wenn er im rammelvollen Tram steht. Und in der Linkskurve, um Gleichgewicht bemüht, die Hand zum Griff nach oben streckt.
DAS SIND MOMENTE, WO JEDER DIE VERSCHLEIERTEN FRAUEN UNSERER WELT VERSTEHEN KANN.
Im Büro haben sie sich beraten. «Wie sagen wirs diesem Stinker?»
Auf seinem Pult wurde heimlich ein Deostift deponiert. Neben seiner Computermaus lag plötzlich eine 3er-Packung Kernseife.
Doch Huber war gegen all diese sauberen Anspielungen immun. Er hat den Braten einfach nicht gerochen? um thematisch im Bild zu bleiben.
Die Buchhalterin Ilse Herbst, die Karl-Heinz gegenübersass und seit Jahren schon jeden Morgen früh eine Extraladung «Air du Temps» herumsprayte (und das Parfum auf Umweltschutzspesen absetzte)? Ilse also griff eines Tages zu einer ziemlich rigorosen Massnahme. Sie schnallte sich eine Gasmaske (Brockenhaus!) übers frische Make-up. Und winkte ihrem Vis-à-vis mit einer weissen Fahne zu. Auf der Fahne wiederum winkte ein Stinktier.
Huber grinste nur. «Ahoi! Ahoi! Machst du in den Ferien einen Tauchkurs?» Dies war der Zeitpunkt, wo der Betriebspsychologe zum Einsatz kam. Er lud Karl-Heinz in die einzige öffentliche Badeanstalt der Stadt ein. Seifte ihn richtig ab.
Was sich sonst noch abspielte, ist nicht bekannt. Nur so viel: Die beiden trugen nach vier Monaten ihre Partnerschaft ein. Die Stelle des Betriebspsychologen wurde neu ausgeschrieben. Er schüttete als Hausmann künftig das Blumenkohlwasser ab. Und wechselte die WC-Enten aus.
Huber aber versprühte nun jeden Tag einen Duft von Armani und Yves Klein. Das Gestrickte war immer frisch getumblert? und sprühte eine Wolke von Ariel um sich.
«Air du temps» aber wurde auf der Spesenabrechnung für immer gestrichen.
Sommerdüfte
Montag, 27. Juni 2011