Samstagabend

Walter lümmelt vor dem Fernseher. Bierdose in der linken Hand. Beide Beine auf dem Anstelltischchen. Um ihn herum sind fröhlich Erdnüsse verstreut. Die zerstreuten Erdnüsschen sind allerdings das Fröhlichste in der Stube. Das Fernsehprogramm ist mies wie immer. Und Ilses Laune dito:
«NIMM DIE BEINE VOM TISCH!»
Walter schaut gebannt auf den Bildschirm. Hier fiebert man einem absoluten Höhepunkt entgegen. GOTTSCHALK SOLL VOM 7-METER-BRETT SPRINGEN!
Ilse interessiert sich einen Dreck für den springenden Gottschalk: «HIER SIEHT ES AUS WIE IN EINEM SAUSTALL. NIMMT MICH NUR WUNDER, WIE DU ERDNÜSSCHEN ISST, DASS DA ALLES EINFACH AM BODEN RUMLIEGT...»
«Ähemm...», sagt Walter. Und: «Diese Pfeife springt nie und nimmer...»
Aber da hört man bereits ein Aufklatschen und den Jubel des Publikums.
Walter hört auch Ilse: «UND NIMM EIN GLAS. HUNDERT MAL SCHON HABE ICH DIR GESAGT, DU SOLLST DAS BIER NICHT AUS DER DOSE TRINKEN...»
«Alle Achtung!», sagt Walter. Das gilt Gottschalk. Und nicht Ilse.
Er zeigt auf die Kiste, wo Gottschalks Sprung zum zwölften Mal in Zeitlupe wiederholt wird, als hätte der Haribo-Mann ein WM-Goal geschossen: «HÄTTEST DU DIESEM WEICHEI DAS ZUGETRAUT?!»
Die Menschen auf dem Bildschirm wollen nun mit frenetischem Applaus auch eine beliebte Schauspielerin zum Sprung animieren. Aber sie benutzt keinen wasserfesten Augenlidstift und überdies hat sie ein Kleid von Max Mara am Ranzen. SO SPRINGT DIE FRAU NICHT! Da können sich die Menschen im Publikum noch so lange wund klatschen...
Demonstrativ zieht Ilse den Staubsauger herbei. Er dröhnt wie ein EasyJet, so dieser wirklich mal abgeht. Walter schaut genervt zu seiner Gattin, die mittels des vibrierenden Saugschlauchs die herumliegenden Erdnüsschen reinhoovert. Endlich sind alle Erdnüsschen weg. Doch nun, wo Ilse so schön in Fahrt ist, staubsaugt sie auch gleich noch Walters Fernsehsessel aus. Und «... dligg... dliggg... dligg» machen die einzelnen Nüsse, welche in dem Schlauch verschwinden.
«JA GEHTS DIR NOCH?!»? genervt juckt Walter aus dem Fauteuil. Die Bierdose kippt um.
«GOTT, BIST DU EIN TROTTEL!»? keift Ilse. «KANN ICH VIELLEICHT AUCH EINMAL EINEN GEMÜTLICHEN SAMSTAGABEND HABEN!?! ABER NEIN. IMMER BAUST DU MIST? HOL DEN ALLZWECKREINIGER. BIER MACHT FLECKEN. BESONDERS AUF DIESEM HELLEN SPANNTEPPICH UND...»
«Ich habe eh immer einen dunkelbraunen gewollt...», müffelt Walter.
Schweigend rubbelt Ilse am Teppich herum. Walter hat das Programm geändert: Pater Braun jagt einen Mörder, seine Köchin macht Ferien in einem Luxushotel...
Interessiert schaut Ilse hoch: «Pfarrersköchin sollte man sein...»
Walter seufzt: «Wie mans macht, ist es nicht recht...» Dann: «Ilse, bring mir noch ein Bierchen...»
Man hört die Eiskastentüre zuschnappen. Es kommt eine gletscherkalte Dose mit einem Glas daneben: «Hier!»
Walter: «Ich brauche kein Glas!»
Dann schaltet er um. Die Sprecherin verkündet: «Durchschnittlich werden in der Schweiz zwei von drei Ehen geschieden...»
Walter macht ein geräuschvolles Bierbäuerchen: «Ähemmhähähöhöö... das sind heute doch alles Weicheier. Wir halten durch, was Ilse...?!»
«DU SOLLST DEIN BIER NICHT AUS DER DOSE TRINKEN!»
«Nimmt mich nur wunder, wie du Erdnüsschen isst, dass da alles am Boden rumliegt!»

Montag, 11. Oktober 2010