Es ist nun wirklich nicht der modische Tupfer, der die Dame zur Lady macht.
Im Gegenteil. Rucksäcke machen jeden zur Sau. Sie sind sozusagen der Zürcher Dialekt bei der eleganten Frau.
Ich meine: Wenn ein Provinzfloh diesen schönen, eleganten Wesen an der Bahnhofstrasse begegnet, wenn er die Cucci-Schnallen am plattgehungerten Bauch, die Aldrovandi-Pumps an den dünnen Knöcheln und das Hermesknötchen am ausgemergelten Hals bewundert, wenn er schliesslich voller Ehrfurcht in sich zusammensinkt und denkt «JA HALLO? DAS IST DIE WELT, DIE GROSSE WELT», und wenn dann dieses Bild von Eleganz? «Läck Tschimmi! Dosch dänn s Foifi!»? mit einem Dialekt loslegt, der doch Löcher in die Stimmbänder brennen muss, dann ist dies so, als würde die Dame auf ihrem Chanel-Deux-pièces einen Rucksack tragen.
Ich bin kein Snob. Aber Rucksäcke gehören in die Bergwelt. Und sicher nicht ins Tram oder an die Bahnhofstrasse.
Nun habe ich mich allerdings schon als Kind kategorisch dem Rucksack verweigert.
Mein Vater war ein Sackträger.
Selbst wenn er zu Herrn Merz in die Drogerie ging, um sich ein Schächtelchen Gaba-Pastillen zu kaufen, nahm er den Rucksack mit.
Nun gut. Auf seiner Trämler-Uniform hat sich das nicht so grotesk ausgemacht, wie auf meinem Seidenhemd, das ich mir vom Sackgeld abgespart hatte. Deshalb ging ich sacklos. Dafür mit einem allerliebsten Einkaufskörbchen, das ich mit einem Popeline-Shawl ausgelegt und mit der Schleife eines Oster-Eis aufgerüscht hatte.
Ohne ruck... zuck... zagg... sack wäre bei meinem Vater nichts gegangen. Holte er seinen Klettersack hervor, der immer ein bisschen nach Seilschaft und «Hoch auf dem gelben Wagen» miefte, wussten wir: SONNTAGSSPAZIERGANG!
Der traurige Weg führte in das Trämlerrestaurant auf den Blauen Reben. Jeder von uns wurde rucksackbestückt. Nur die Kembserweg-Omi hatte einen guten Grund sich zu weigern? der liebe Gott hatte die Ärmste im Alter krummgebeugt und mit einem Buckel versehen. Wenn die Omi den Rucksack darüber schnallte, sah das doppelstöckige Buckelbild zum Fürchten aus. Und so war sie die einzige, die mit einer Handtasche mitstiefelte.
Heute sind Buckel selten, Rucksäcke jedoch häufig geworden. Den absoluten GAU machen mir diese straussenledernen Edelsäcke von Vuitton oder Prada. Ich meine: Diese Frauen haben doch nichts anderes als drei Platin-Kreditkarten dabei.
Die könnten sie doch weiss Gott in ihrem Brillenetui versorgen. Aber natürlich sind die Damen gelasert. Oder sie tragen farbige Kontaktlinsen. UND SICHER KEINE BRILLENETUIS. Dafür Säcke!
Zurzeit geniesse ich die Adelbodner Kuhwelt.
Wenn ich im Dorf aus dem Taxi steige, überfällt mich das Grauen parallel zu meinem schlechten Gewissen: Um mich herum marschieren alle wacker mit Sack und Stock. Jeder hat sich sein Bürdlein aufgeschnallt? aber immerhin: Sie marschieren.
Ich taxiere. Vermutlich ist es dieser sportliche Touch der Sackträger, der mein Gewissen durchrüttelt.
Auch Innocent rucksackt drauflos. Gestern hat er die Eier darin verstaut... leider kam er auf dem Kiesweg ins Rutschen.
Der Sack lag unten? ich brauche Ihnen wohl nichts mehr zu sagen. Jetzt schaut er spöttisch auf meinen Einkaufskorb: «Also ich würde mir damit saublöd vorkommen...»? dies von einem, der die Omelette auf dem Rücken getragen hat.
Gut. Dann bin ich eben saublöd. Aber Stil bleibt Stil. Und wenn sich alle Säcke mal einen Ruck geben würden, sähe die Welt auch etwas netter aus...
P.S. Die Osterschleife von damals habe ich natürlich am Körbchen entfernt. Und sie durch ein kunstseidenes Enzian-Bouquet im Blau der Augen von Liz Taylor ersetzt.
Rucksack-GAU
Montag, 20. Juli 2009