Früher war alles einfacher. Mehr Lebensqualität. Mehr Genuss. Mehr Freude.
Also ich wills mal so sagen: Wenn du ins Tram eingestiegen bist, sass dort der Billeteur und riss dir aus einer Auswahl von bunten Papierblöckchen ein Billett ab. Zur Sicherheit knipste er das Ticket mit einer Zange, die dem Billeteur stets etwas Kompetentes gab. Dann verrechnete er die Dienstleistung mit ein paar Rappen.
Heute aber stehst du ratlos vor einem grünen Apparat. Verstehst nur Bahnhof. Und der ist nicht immer dein Fahrziel...
Anderes Beispiel: Früher hast du den Schlüssel ins Auto gesteckt. Die Zündung gedreht. Fertig. SCHON ROLLTE DIE KARRE.
Heute habe ich einen Schlüssel, der gar kein solcher ist. Er ähnelt einem Null-Punkte-Dominostein mit Schälterchen und Innenleben. Das Innenleben des Schlüssels bleibt mir so fremd wie die chinesische Seele, über die schon Lehar seine Tenöre schmettern liess: «Denn wies da drinnen aussieht, geht niemanden was an.»
Mein Autodoktor Enz hat sich da aber schlau gemacht und versucht mich punkto Computer-Schlüssel aufzuklären. «Dieser Schlüssel wird vom Auto durch Computertechnik erkannt. Oder anders gesagt: Das Auto merkt: Aha, Herr - minu ist da. Wenn er das Knöpflein drückt, muss ich ihm öffnen...»
Ich bin ein Fragezeichen, wie immer, wenn die moderne Technik mit mir aufräumt. Deshalb: «... und wenn ich Herrn Innocent den Schlüssel gebe, sagt das Auto: Au? dem öffne ich aber nicht. Der hat das letzte Mal das Benzin nicht bezahlt?»
Herr Enz setzt dieses nachsichtige Lächeln auf, das er für IQ-schwache Kunden im Köcher führt. «Ihre Karre macht jedem auf, der mit diesem Schlüssel kommt? das ist ja wohl klar.»
IST ES DAS? MIR NICHT!
Denn ich drücke mir am Dominostein den Daumen flach. NICHTS PASSIERT. Kommt dazu, dass ich gefährlich falsch parkiert habe. Und deshalb in Panik den Autodoktor anrufe: «Mein Auto erkennt mich nicht mehr. Es verweigert sich mir. Wie kann ich es bezwingen?»
Herr Enz sagt zuerst gar nichts. Dann: «Wir schicken den Pannenmann.»
Auch der Pannenmann wird von meinem Auto nicht erkannt. Er guckt mich vorwurfsvoll an: «Was haben Sie mit ihm gemacht?»
Wenn mich jemand so anschaut, habe ich immer ein schlechtes Gewissen. Ich überlege fieberhaft, wo ich das Innenleben des Dominokästchens oder den mir verborgenen technischen Senderteil des Autos beleidigt haben könnte.
Mittlerweile haben sie meine Karre auf einen Abschleppwagen gebockt. Und zucken ratlos die Schultern: «Zzzzz... wir werden in der Werkstatt die genaue Diagnose stellen... wir geben Ihnen Bescheid.»
Dann stehe ich da. Und muss mit dem Tram ins Büro. Ich versuche an dem grünen Tramkasten diesen Moment zu ertasten, der mir ein Halbtax-Ticket für KURZFAHRT ausspucken soll. Doch der Apparat spuckt zünftig. Ich fahre mit meinem Zeigefinger alle Sensoren ab? diese reagieren höchst sensibel. Nicht so die Leute hinter mir: «WOLLEN SIE EIGENTLICH VOR DEM APPARAT ÜBERNACHTEN?!»
Endlick klapperts und dingdongts wie beim Spielautomaten. Ein Münzenregen klimpert in die Mulde? ABER NICHT MEIN BILLETT.
Immerhin? mit den vielen gewonnenen Ein- und Zweifränklern kann ich mir jetzt ein Taxi leisten.
Im Büro erwartet mich auch schon das Telefon von Autodoktor Enz: «Die Schlüsselbatterie war auf ZERO... wir haben in Japan eine neue bestellt!»
Irgendwie bin ich erleichtert, dass ich das Auto nicht beleidigt habe...
Panne
Montag, 2. August 2010