Packende Verpackungsprobleme...

Nicole seufzte. Immer diese beschissene Kocherei! Der Eiskasten bot einen etwas welken Kopfsalat. Vier Bio-Eier. Ein Tellerchen Oliven, die vom Apéro mit den Schmids übrig geblieben waren. Und zwei Tomaten.
Die Tomaten schmeckten trotz Gen-Manipulation nach einem Schluck abgestandenem Wasser? das Manko bestand in der fehlenden warmen Sonne. Oder in zu wenig Genen.
Sie hatte noch drei Büchsen Thon. Aktionskauf. Also die ideale Basis für eine Salade Niçoise.
«Ich mache uns eine Salade Niçoise»? rief sie in die Stube.
Michi sah sich dort den Sport an. Sie hörte den Kommentator der «Tour» bis an den Herd. Seit Michi an Gehörproblemen litt, verfolgte sie der Fernseher auf Tonstufe MAXIMUM bis zur Toilette.
VON WEGEN «STILLES ÖRTCHEN»!
«Es giiiibt Thooonsalaaat?», brüllte sie in Richtung Velorennen. Keine Antwort.
Nicole zupfte brummelnd die äussern Blätter vom Salat. Dann griff sie zu einer der Büchsen. Und klappte die Lasche auf.
DLAGG!
Lasche ab.
BINGO!
Sie wollte ja nicht in Nostalgie-Wellen baden: ABER FRÜHER WAR DIE WELT BESSER VERPACKT!
Kürzlich hatte sie ein Glas mit geschälten Tomaten heimgebracht. Die wollte sie zu Sugo verarbeiten. Aber es brauchte wohl ein Tiefbaudiplom, um so ein Glas zu öffnen. Der Deckel bewegte sich kein My. Sie klopfte mit dem Fleischhammer auf den gläsernen Hinterteil. Sie gab die Konserve unter das heisse Wasser. Dann werkelte sie mit dem spitzen Rüstmesser an der Unterseite des Deckels herum, um das hermetisch geschlossene Ding aufzubrechen.
NICHTS!
Schliesslich holte sie sich aus Michis Werkzeugkiste eine Ahle. Und versuchte ein Loch ins Blech zu stechen. Das Loch gelang? die wässrige Sauce, welche um die Tomaten schwappte, explodierte zur Küchenwand. Vor Schreck liess Nicole das Glas fallen. Die Tomaten waren jetzt draussen? aber mit feinsten Scherben drin.
Weshalb fanden eigentlich Verpackungsmessen statt, wenn die Industrie diese Problemlösung doch nicht packte! EINE PACKENDE FRAGE!
Nicole griff zur zweiten Büchse.
DLAGG.
Die Verbindung der Lasche zur Büchse war einfach viel zu dünn. Klar, dass so etwas durchbrechen musste.
Sie holte den Büchsenöffner. Aber die Dose war nicht dafür geschaffen: Der Rand zu hoch? der Zahn kam gar nicht ans Blech.
«MIIICHII!»
Es antwortete nur der Etappensieger.
Sie zog nun die Lasche der dritten Büchse im Zeitlupentempo nach vorne. GESCHAFFT!
Nun galt es, Druck aufzusetzen? die Kraft auf den Deckelrand zu übertragen. Und das Blechding weg zu schälen?
Dlagg!
LEIDER WAR ZU VIEL DRUCK! Und natürlich hatte sie das spitze Blech prompt in den Finger geschnitten. SO EIN BLECH!
Im Bad fand sie vorgeschnittene Heftpflaster in einem Kunststoffschächtelchen. Die Verpackung musste zuerst entriegelt und dann auseinander- gezogen werden. SCHNELLER GESAGT ALS GETAN! Sie werkelte mit dem Nagelklemmer an diesem verflixten Ding herum? ENDLICH! Alle Pflästerchen fielen zu Boden. Der zeigte sich blutbefleckt wie nach einem «Tatort»-Mord.
Als sie schliesslich mit verklebtem Zeigefinger die Eier zu einer Omelette in die Pfanne schlug und dachte, dass die Hühner seit Jahrtausenden die ideale Verpackung zum Produkt mitliefern (ohne je auf einer diesbezüglichen Fachmesse herum­geeiert zu sein), erschien Michi in der Küche: «Ich dachte, es gibt Salade Niçoise??!»

Montag, 17. Juni 2013