Mord im Schlafzimmer

Er spürte sie neben sich.
Und er wusste, dass er sie umbringen würde.
Er hasste sie. Hasste ihre penetrante Art. Ihre Aufdringlichkeit.
DA WAR KEIN FUNKE LIEBE? ES WAR NIE LIEBE GEWESEN!
Sie war in sein Leben geplatzt. Unerwartet. Wie ein grausamer Schicksalsschlag. Nun ja? «grausam» ist vielleicht übertrieben. Aber «nervig» eben? wie das Bohren von Presslufthämmern. Oder das Röhren des Staubsaugers seiner Reinmachefrau Alara (die, wie sie sagte, nach einem Fluss ihres Landes benannt worden sei).
Sie schien zuerst unscheinbar. Machte bei Ferdinand jedoch bald einmal Annäherungs­versuche. Und er wehrte sich nicht.
Also blieb sie. UND HAT SO ALL SEINE TRÄUME ZERSTÖRT.
Er war zu träge gewesen, um sich gegen ihre fiese Art zu wehren. ES GAB KEINEN AUSWEG MEHR: SIE MUSSTE WEG!
Die Frage war nur: W I E?
Ferdinand drehte sich leise auf seiner Bettseite. Er konnte sie spüren. Erst wenn er sich energisch kehrte, liess sie von ihm ab.
EBEN D I E S GING IHM AUCH GRÜNDLICH AUF DEN WECKER: I M M E R KLEBTE SIE AN IHM. LIESS IHM IM BETT KEINE RUHE. Sie war das, was der englische Slang «a pain in the ass» nannte.
Ferdinand (wie seine Eltern ihn riefen und auf den v o l l e n Namen bestanden, wenn die Tanten den Knaben liebevoll «Ferdeli» nannten) ? Ferdinand war ein gemütliches Kind. «Gemütlich» steht hier für «pflegeleicht». Nicht sonderlich aufgeweckt. Vielleicht eine kleine Spur verlangsamt. Aber eben: problemlos. Und reinen Herzens.
NICHTS HATTE DA AUF EINEN KÜNFTIGEN MÖRDER HINGEWIESEN.
Bei einer Frühdiagnose hätte die Kinder­psychiatrie ihm vermutlich ein leichtes «Seelenwärmerchen» oder einen chemischen «Aufheller» verschrieben. Doch die Eltern hielten nichts von Psychiatern. Der Vater nannte alle despektierlich «die Mechaniker von der Klappse».
So ist Ferdinand also in seiner Kindheit eben nie in den Genuss einer persönlichen Psychoanalyse gekommen. Kann sein, dass die etwas gebracht hätte.
Im psychischen Belang unauffällig, blieb Ferdinand einfach nur ein liebenswertes Kind, das Blumen mochte. Mit Bienchen redete. Und keine Kätzchen killte, wie etwa der legendäre Frauenmörder Mario. (Dieser hatte trotz einer früh angesetzten Feinfühl-Therapie später drei Witwen abgemurkst und ins Grab befördert).
Mit offenen Augen lag Ferdinand im Dunkeln. Er war nun bereit, zuzuschlagen.
Zuerst hatte er die Gift-Variante ins Auge gefasst. Aber Gifte wirkten nicht immer hundertprozentig. Er vertraute auf seine starken Hände? diese Hände, die schon als Kind fest zupacken konnten. Und den Berufsberater später zum Entschluss: «Der sollte Bäcker werden!» beflügelten. (Ferdinand wurde dann Masseur.)
Zwei Stunden lang lag er wach. Er spürte sie. Er hörte sie. Er fühlte sie.
Als sie sich wieder ganz nahe an ihn heranmachen wollte, hob er vorsichtig seine Hand.
DANN SCHLUG ER ZU. EINMAL NUR? ABER BEBEND VOR WUT.
Es war nun still im Zimmer. Ferdinands Hand zitterte. Er tastete die Wand nach dem Licht­schalter ab. Und im hellen Licht des Fünfzigerjahre-Leuchters sah er sie: ermordet. Mit e i n e m Schlag.
Er atmete durch. Und ein Gefühl der Befreiung durchflutete ihn.
Mit einem Kleenex wischte er dann die Stechmücke vom Leintuch.

Montag, 24. Juni 2013