Italienischer Alltag

Italien ist das Land, wo die Zitronen blühn (Goethe?). Doch nicht nur. Da blüht auch Korruption. Bürokratie. Beamtenapparate.
Zwei Zeitungsmeldungen zeigen, dass sich die Welt ante Berlusconim et post Berlusconim hier nicht verändert hat.

MELDUNG EINS: Einer der grossen Bauunternehmer des Landes macht mit heissen Frauen und eiskalten Berechnungen immer wieder von sich reden. Legendär wurde sein Spruch nach dem Erdbeben von Aquila («Das ist schön? das gibt wieder Arbeit!»).
Dieser kleine Kotzbrocken landete also mit seinem Helikopter auf dem Sandstrand von Ansedonia.
Der Unternehmer, der alle naturgeschützten Plätze anfliegt und dort illegale Touristenvillen sowie Schwimmbäder errichtet, der aber dafür nie bestraft oder auch nur angeklagt wird, dieser Stinker also führte seine Mamma zum Essen in ein Strandristorante aus.
Das ist schön. Das ist nobel. Doch peilte er die Beiz per Helikopter an. Samt Mutti an Bord.
Da solches an einem heiligen Sonntag und nicht zum ersten Mal geschah, platzte den Leuten nun doch der Kragen. Der Lärm störte ihre Mittagsruhe, die Maschine im Sand ihre Aussicht. Sie gingen auch ohne Helikopter in die Luft? und riefen die Polizei.
ES GESCHAH NICHTS.
Denn der Herr der Lüfte hat in Rom Beziehungen bis hoch hinaus? ja noch höher hinaus, als seine private Kiste fliegen kann.
ENDE VOM LIED.

UND MELDUNG ZWEI: PIPO VERHAFTET!
Pipo ist das Dorforiginal von Porto Santo Stefano? na gut: eigentlich der Dorftrottel. Er ist ein altes Männchen. Mit einem noch älteren Papagei auf der Schulter.
Den Papagei hat Pipo von einem Matrosen bekommen, der sich für auf den Ozean anheuern liess. Und dem Vogel die grossen Wellen nicht zumuten wollte.
Immer morgens spaziert Pipo am Hafen. Sucht das Ufer nach Steinen ab. Und bemalt diese auf die wunderbare, kindliche Art, die den geistig Verwirrten eigen ist. Und ihnen vom lieben Gott als Geschenk mitgegeben wurde.
Als sein Vater (95) starb, erbte Pipo dessen Holzbaracke mitten in einer Maquis-Wildnis von Rosmarin und Erikabüschen.
Die Hütte hatte kein Wasser. Also ging Pipo zur Gemeindeverwaltung. Und fragte, was er da machen könne.
Die Gemeindesekretärin wie auch der Gemeindearchitekt waren einmal mehr fasziniert vom Papagei, der alle fünf Sekunden «BRAVO SIGNORE» rief. Dann holten sie den Gemeindeingenieur und baten ihn, dem armen Pipo zu helfen.
Der Ingenieur legte eine Plastikleitung von einer nahen Quelle zu Pipos Baracke? «BRAVO SIGNORE», freute sich der Papagei. Pipo freute sich mit.
Er schenkte dem Ingenieur einen seiner bemalten Steine. Und der Gemeindesekretärin auch einen.
Und ebenso dem Ingenieur.
Da diese mit den Steinen nicht viel anfangen konnten, bedankten sie sich herzlich. Und entsorgten sie im Papierkorb.
«BRAVO SIGNORE», rief der Papagei. Drei Monate später wurden Pipo wegen Bestechung von Beamten und die Sekretärin sowie ihre beiden Chefs wegen Entgegennahme von Tangenti in Form von Steinen angeklagt.
Grosse Oper vor dem Gericht in Siena. Nach drei Verhandlungstagen seufzte der hohe Richter: «Das ist ja absurd? FREISPRUCH!»
«BRAVO SIGNORE», krähte der Papagei.
Tränenüberströmt küsste Pipo die Hände des gütigen Mannes. Und schenkte dem Richter zum Abschied einen seiner Steine.
Der entsorgte ihn im Papierkorb.
ENDE DER GESCHICHTE.

Montag, 16. Januar 2012