Hubert und Oskar

Karl und Susi haben mich zum Nachtessen eingeladen. «Ganz einfach» - haben sie gesagt.
Ich weiss, was das heisst: Betty Bossis Pfannenreigen. Betty Bossi geistert heute an allen Einladungen über die Teller.
Karl öffnete die Tür. Er hielt mir triumphierend ein etwas pummeliges Kind wie einen Fussballpokal entgegen: «Das ist Hubi», strahlte er. Und: «Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen.»
Stimmt. Hubi habe ich in meiner Erinnerung gelöscht. Da war mal so eine Karte mit einem schlafenden Baby: «HURRA ICH BIN DA - HUBERT!»
Und ich habe damals Innocent das Kärtchen hingeschoben: «Wie kann man das einem Kind antun?! HEUTE HEISSEN KINDER NICHT MEHR HUBERT! Er wird darunter leiden. Drogen nehmen. Absacken. Und der Steuerzahler bekommt wie immer die Rechnung...
Nun ist Hubert also «Hubi». Na ja. Es steht mir als kinderloser Wurzelverstockter nicht zu, über «Eltern und Kind» zu urteilen. Aber ich tus trotzdem: Ich finde, Kinder gehören an einer Einladung in dieses Zimmer, das nach ihnen benannt ist. Ich hätte nach drei Jahren Abstinenz von Karl nämlich einiges zu plaudern. Sicher will er wissen, welche neuen TV-Projekte ich nun aufgleise... was ich an Geschriebenem in petto habe... wie wunderbar meine Arbeit für das neuste Buch vorangeht und...
NICHTS VON ALLEM.
«Hubi hat seinen ersten ganzen Zahn», strahlt er. Er tut, als habe er den Zahn selber bekommen.
«Wir konnten nächtelang kein Auge zutun», tätschelt nun auch Susi das Kleinkind ab, wie der Metzger den Braten. Leider ist Hubi kein solcher. Nein. Dieser perfide Balg versteht es, immer dann seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, wenn ich etwas sagen will - eben, als ich vom Buch anfangen wollte, kippte er mir sein Milchglas über die Hosen.
ARMANI!
Die Eltern haben herzlich gelacht: «Aber, aber Hubi - schau, was du dem lieben Onkel gemacht hast...»
Weils so lustig war, giesst Hubi gleich noch ein Kötzi nach... schäumender Brei. Diesmal auf mein Hemd. BRIONI.
Dieses Kind hockt noch keine drei Minuten auf meinem Schoss, und schon muss ich frisch gespritzt werden!
Susi nimmt mir den grässlichen Schreier ab. Der Vater hat beim nassen Görpslein nur leicht, ganz leicht, die Stimme erhoben: «Aber, aber Hubi...»
Schon schmetterte der Kleine los.
Und nun das Affentheater rundum: «Ja isse doch nit slimmm... isse lieber Bubibuuu...»
So komme ich natürlich nie zu Wort. Überdies klebe ich. Oben und unten.
«Weisst du», flüstert Karl, während Susi mich mit einem feuchten Lappen abrubbelt und Hubi mit einem Löffel fröhlich auf eine Vase einhaut, «ich habe es nie geglaubt: Aber so ein Kind bringt dir gleich nochmals eine andere Dimension...»
Das stimmt. Früher war Karl ein heisser Draufgänger mit flotten Sprüchen. Jetzt: «Isse duusi duusi duu?»
«Das war das letzte Mal, dass ich an einer Einladung mit Kleinkindern war...», tobe ich zu Hause. Innocent ist voller Mitgefühl: Reg dich ab - morgen sind wir bei Professor Ingold. Das Paar ist unfruchtbar...»
Als wir bei Ingolds schellten, öffnete sie mit einem Dackel auf dem Arm.
«Das ist Oskar», strahlte sie, «Oski ist unser Ein und Alles...»
Drei Mal dürfen Sie raten, wer mir auf die Hose gepinkelt hat.

Montag, 30. Juli 2007