Guggurugguguu

Hilde nervte sich über die Tauben.
Sie konnte nicht verstehen, dass diese gefiederten Ratten als Liebesvögel galten.
JA KLAR: BUMSVÖGEL DER LIEBE! Und dieser Akt war dann auch immer mit verklärtem, aber fonstarkem «GUGGURUGGUGUUU!» verbunden. So ein Komponistentrottel musste aus diesem wilden Gugguruggugurren auch prompt noch einen Schlager basteln. Männer besassen eben kaum ein Gramm mehr Hirn als eine vögelnde Taube.
GUGGURUGGUGUU also. Dies vor ihrem Fenster. Und morgens um drei, wenn Hilde schlafen wollte. SCHLAFEN SOLLTE.
Als Buchhalterin einer Farbenfabrik brauchte sie einen klaren Kopf? seit die Bude alle Schattierungen auf Computercode umgestellt hatte, war eh alles komplizierter geworden.
Apropos Code. Hilde schaute gereizt aus dem Dachfenster. Vor ihr lagen die denkmalgeschützten alten Ziegel in diesem verkackten Taubenkot-Weiss-Code, der an eingetrocknete Zahnpasta erinnerte.
WAS TAT DIE STADT DAGEGEN?! Nichts. Dreimal hatte sie sich schon bei der verantwortlichen Stadttaubentante gemeldet. Diese hatte sie beim letzten Mal ziemlich harsch abgewimmelt.
«Gute Frau? wegen sechs Tauben rücken wir nicht aus. Nehmen Sie es doch von der netten Seite. Immerhin hat sie Melchior Berri auf eine Briefmarke gemalt? und damit einen Welthit gelandet! Auch Aschenbrödel?»
Da hatte Hilde schon aufgehängt. Berri hatte bestimmt keine Tauben auf dem Dach gehabt. UND DANN DIESE DUMME KUH VON EINEM ASCHENBRÖDEL: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen! JA HALLO. Mit der melancholischen Prinzentussi hatte doch diese sentimentale Taubenfütterei überhaupt erst angefangen.
Sie fragte dann nicht den Arzt. Aber den Apo­theker. «Ich brauche ein Gift gegen Tauben?»
Der schüttelte den Zeigefinger. «Liebe Frau, das dürfen Sie nicht?»
JA HALLO. Was Georg Kreisler im Park erlaubt wurde, wurde ihr auf dem Dach gesetzlich verwehrt. Typisch. Diese Künstler nahmen sich alle Freiheiten. Und das gewöhnliche Fussvolk fühlte sich beschissen? im wahrsten Sinne des Wortes. DIE GERECHTIGKEIT WAR VOGELFREI!
«Haben Sie zumindest etwas, das die Vögel verstopft?»
Der Apotheker lachte hell auf: «Sie sind mir ja eine!»
Dann schenkte er ihr zum Trost ein Duschgel- Müsterchen. Aber so schnell gab Hilde nicht auf. Sie hatte von Nelly, ihrer Freundin, gehört, dass man Katzenhaare streuen solle. Die würden die Tauben verscheuchen.
Sie sammelte also die Haare in ihrem Bekanntenkreis? von Lumpi, Mister Mao (Pekinese) und Zara. Es galt nun, die etwas dünnen Haare auf den Ziegeln zu verteilen. Dafür musste sie allerdings durchs Fenster aufs Dach steigen.
Wie immer, wenn Hilde das Fenster öffnete, flogen die sechs Tauben genervt auf. Es war mehr ein Aufhüpfen. Denn die vollgefressenen Vögel hoben kaum mehr ab.
Mühsam zog sich Hilde am Fensterrahmen hoch. Nahm den Plastiksack mit den Haaren. Und begann diese zu verteilen.
Leider kam ein Wind. Und fegte mit einem Wisch alles Haarige weg. Die Tauben bogen sich vor Lachen? GUGGURUGGUGUUU!
Hilde stampfte wütend mit dem Fuss auf die Ziegel. Kam ins Rutschen. Und? GUGGURUGGUGUU!
Die Polizei vermutete «Selbstmord». Der Tatort-Kommissar konnte «keine Fremdeinwirkung» erkennen. Die Taubentante legte die Pendenz «Verärgerte Frau, sechs Tauben, drei Anrufe» als ERLEDIGT ab.

Montag, 4. März 2013