Kürzlich habe ich ein Gerundium verwendet. Das war falsch. Denn es war ein falsches Gerundium. Oder eigentlich gar keines. Sondern ein Partizip Präsens.
Es kann sehr gut sein, dass die Jugend im Zeitalter jugendlicher SMS-Sätze wie: «Ich morgen Besäufnis? du trocken?» nicht versteht, was ein Gerundium ist. Und schon gar nicht ein falsches.
Ich verstehe es auch nicht. Aber wenns dann kommt? JA HALLO! DA GEHT ABER DIE POST AB.
Die Post kam per E-Mail. Und als Leserbriefe. Absender waren meistens Lehrer.
Sie waren es ja auch, die mir das Gerundium beigebracht haben. Und die Lust aufs Gerundium, das hier aber ein gewöhnliches Partizip Präsens war. Nun schütteln sie alle die Zeigefinger. Und ich kann ihr spitzes «Zzzzz» hören, wie damals, als ich mit Lockenwicklern in die Schule kam. LockenwicklerN. Mit -n-. Das ist ein Dativ. Und zwar ein richtiger.
Den (Akkusativ) haben mir die Lehrer eingepaukt. Heute ist er total von der Bildfläche verschwunden. Samt des Akkusativs (welcher hier ein Genitiv ist). HEUTE ALSO ALLES GRUNDFORM UND: HEE MANN? WO SEIN TÜRKHEIMERSTRASSE?
Das erste E-Mail, das nach dem Gerundium (dieses erschien übrigens in einem Mimpfeli, das Lehrer eh nie lesen, wie sie immer beteuern, aber es scheint, dass sie dieses Mimpfeli alle, alle gelesen haben)? das erste E-Mail kam mit dem Betreff: SI TACUISSES?
Das ist Latein. Und heisst: «Oh hättest du geschwiegen.»
JA. HÄTTE ICH NUR.
Ich beschrieb nämlich im Mimpfeli die Freude am Gerundium. Und baute immer wieder solche (Freude und Gerundien) ein. Aber es war eine falsche Freude, weil es auch ein falsches Gerundium war!
Herr Renfer gab mirs dann dick ausgedruckt: Gerundium? in einigen Sprachen, besonders im Lateinischen vorkommende Verbform mit substantivischer Eigenschaft, die im Deutschen etwa dem substantivierten Infinitiv entspricht.
Und dann gibt Herr Renfer ein Beispiel an: ars amandi? die Kunst des Liebens.
Beim E-Mail mit dem Betreff «GRAM MIT GRAMMATIK» schreibt Rolf Kaufmann: «Ihre Sucht nach Gerundien in allen Ehren, aber das waren keine? sondern 1. Partizipien?»
WISSEN SIE WAS EIN ERSTES PARTIZIP IST? Na ja, Sie haben ja auch nicht mit drei Jahren im Kindergarten Deutsch sprechen müssen?
Barbara, die schöne Redaktorin, welche meine Mimpfeli betreut, hatte ganz andere Probleme als mein Gerundium: «Weshalb machst du eigentlich immer so viele Gedankenstriche? Mach dir mal Gedanken über deine Gedankenstriche! »
Kollege Fred korrigierte meine GROSSSCHRIFT jahrelang in Kleinschrift, weil er diese Erneuerung «total unnötig» fand. Er, der die Welt verändern wollte, fuhr bei der Sache die total reaktionäre Schiene. Und war gegenüber dem GROSSEN nicht offen.
«Hören Sie endlich mit den ewigen Pünktchen auf? was sollen drei Pünktchen nach einem Satz...?» Das höre ich auch immer wieder. Und höre nicht auf. Denn drei Pünktchen sind das Ironiezeichen, das man auf dem Laptop und in unserer Sprache umsonst sucht.
So viel also zum Thema Schreiben. Deutsche Sprache. Und Wochenanfang? fröhlich beginnend und mega cool werdend.
Das waren keine Gerundien. Sondern erste Partizipien.
Auch nett, aber doch nicht so ganz wie ein falsches Gerundium? Sie verstehen, was ich meine? (das wiederum ist dreipünktliche Ironie).
Gerundium
Montag, 25. August 2008