Fussball-Feger

Irgend so ein philosophisches Gscheitle hat mal gesagt: «Der Ball ist rund - also rollt er.»
Es wäre mir lieber, der Ball wäre eckig. Dann stünde er endlich still.
Seit die Welt vor dem Fussball den Kniefall macht, ist Terror auf dem Bildschirm.
Statt «Wer wird Millionär» - fragt sich der heutige TV-Glotzer «Wer wird Gruppensieger?». Und statt des Kreuz-Bauers im «Fryttygs-Jass» ist König Fussball Trumpf.
EIN KREUZ BLEIBT ES ALLEMAL.
Ich will nicht hadern. Und natürlich ist es nett, dass nun auch die Männer in den Schminktopf greifen, obwohl dieses «Scharlachschweizerrot» nicht jeder Manns Sache ist.
Aber egal.
Hauptsache, wir bekennen wieder mal Farbe. Dieses SWISSNESS ist nicht nur ein neues patriotisches Wetterhoch. Es ist auch eine neue Wortprägung und endlich einmal etwas anderes als diese vermaledeite FITNESS.
Menschen, die mit zwei Ballettschuhen und dem Flair für Synchron-Turmspringen geboren sind, können (zugegebenermassen) mit Fussball nicht viel anfangen.
So befremdet es sie doch sehr, wenn ihr bester Freund seine ausländischen Klienten plötzlich danach beurteilt, ob sie eine Runde weiterkommen und die Franzosen erst nach dem Spiel gegen Ghana in die Advokatur bestellt: («Wir wollen eine klare Ausgangslage...»)
Selbst in meinem Lieblings-Bergbahnenort Adelboden scheinen nur noch eine Weide voll Kühe NICHT vom Fussballvirus infiziert worden zu sein. Sie glocken in Trance, derweil der Rest des Dorfs gebannt auf die Grossleinwand in der Taverne stiert und der Wirt beim ersten Schweizer Tor «FREIBIER FÜR ALLE»brüllt.
DIES IN EINEM ORT, WO SELBST DIE LUFT IHRE KURTAXE KOSTET!
Als sich Pieren Albis Hausi zwecks Russens bei mir meldete, war justement die SCHWEIZ gegen TOGO dran.
Hausi ist der Kaminfeger seiner Generation. Schon Göpfi, sein Grossvater hat gerusst. Und meine Mutter hat von ihm geschwärmt: «So sauber - er legt immer Zeitungen aus...»
Hausi erscheint also im russigen Schwarz. Sein ansonsten eher blasses Gesicht bekennt rot-weisse Flagge, was sich vom schwarzen Untergrund attraktiv abhebt - ÄMMEL BESSER ALS DIESE ROT-WEISSEN BLICK-BUSEN, DIE AN EIN ESSIG-ÖL-GESCHIRR IM ETNOSTYLE ERINNERN...
Hausi würdigt meinen zu russenden Ofen keines Blickes. Gebannt schaut er zum Bildschirm, wo die schwarzen Kollegen aus Togo am Ball sind.
DIE BEWEGEN SICH ZUMINDEST.
«Was ist mit der Russerei?», frage ich gereizt.
Der Feger hört gar nicht hin. «HAU IHM DIE RÜBE FLACH», brüllt er Herrn Degen zu, der von einem Togi von hinten angegriffen wird. Dann zu mir: «Ist der Ofen kalt?».
«Wir haben 30 Grad im Schatten!» - versprühe ich Saskasmus. VERGEBLICH.
Denn Hausi hört gar nicht zu. Irgendwer hat nämlich irgendwie ein Tor geschossen.
Der Kaminfeger knallt mir seine russige Pranke auf den Arsch: «GOOOL» - jault er. «GOOL!»
Abends murmelt Innocent ins Spiel mit Italien vertieft: «Du bist ganz schwarz an Deiner Hose...»
«Das war Togo», sage ich.
«Tolle Schweizer» - swissnesst mein Freund strahlend. «Da dampfte der Ofen...»
Sicher.
Nur unserer ist immer noch ungerusst.

Montag, 26. Juni 2006