Fett

Fett ist des Teufels.

Fett ist Pest.

Fett darf nicht sein.

Im Wort Fett schwimmen Assoziationen wie Herzinfarkt, Schwabbelbauch oder verfressene Disziplinlosigkeit.

Fett ist schlechter Geschmack.

BINGO! Voll krass!

Wer gerne gut isst, hat kapiert, dass Fett genau das Gegenteil ist. Fett macht den guten Geschmack. Oder: würde machen. Denn heute hat jeder sein Fett weg. Man züchtet die Schweine schwartenfrei und fettarm. Und ein Stück Rinderbraten sieht aus wie ein blutroter Fleischhammer: null Fettpünktlein im Schnitt. Fleisch pur.

Wenn die Prosciutto-Verkäuferin den Schinken aufschneidet, so säbelt sie immer zuerst das Fett weg («die Kunden wollen das so!»). Und somit das Beste.

Mit der angewiderten Miene desjenigen, dem man aus Versehen einen Regenwurm in den Salat gelegt hat, schneidet mein fitter Vetter Tom dann auch noch das letzte weisse Geschmacksstreiflein von der Tranche. Natürlich schnappe ich mir die Fettränder von seinem Teller. Und er sagt lediglich: «Du musst dich ja nicht wundern?»

Nein. Ich wundere mich schon lange nicht mehr. Wer in einer ultra-lighten Gesellschaft die Butter fingerdick aufs Konfitürenbrot schneidet, wird eh so entsetzt angeschaut, als hätte er eben einen Esel geschändet oder den Papst «Mamma Leone» genannt. Die gute Teewurst wird heute aus magerem Trutenfleisch gewurstelt. Sie schmeckt dann auch wie die eigene Abdankungsfeier dieser armen Vögel. Und Vanillecreme gibts mit fettarmer Milch, chemischen Geschmacksträgern und physikalischen Wunderkügelchen, die das Ganze für die Schlanken mit null Kalorien (NULL? SAGE ICH EUCH!) aufdicken? kurz: Es ist eine Creme, die weder Vanille noch Zucker, geschweige denn je einen Spritzer Rahm gesehen hat. Aber sie geht nicht auf die Hüften. UND DAS MACHT SIE VIELLEICHT WUNDERSAM. ABER SICHER NICHT WUNDERBAR. Und die Küche nicht glücklich?

Auch wenn ich weitherum als verfressene Schlemmersau gehandelt werde, so kommen bei meiner Vanillecreme noch immer zwölf Eier, ein halber Liter Rahm sowie diese herrlichen Bourbonstengel drin vor. Und Zucker. Richtiger Zucker. Ich rede von diesem kristallfunkelnden , herrlichen Zeugs, das Karies, Bluthochdruck und Diabetes bringt. Dies zumindest sagt die Ernährungsberaterin. Aber sie hat mir vor zehn Jahren schon die Schokolade verboten. Und den Kaffee. Jetzt sagt mir ihre Kollegin, Schokolade sei das A und O für die Gesundheit. Und Kaffee wunderbar gegen Krebs, Alzheimer und Impotenz.

Die Ernährungsberatung ist wie die Textilbranche? sehr der schnellen Mode unterworfen. Nur die Nummern bleiben immer dieselben: vollfette Hysterie und kleine Grösse. Mit Bauchrundung? 54? will dich dann eh keiner mehr einkleiden. Da läufst du unter «hoffnungslos? ab in die Containerabteilung!»

Ich frage mich immer wieder, weshalb Gesundheitsapostel und Modepäpste die Knochen dieser Welt anbeten? Es kann doch nicht nur an den mageren 500 Milliarden liegen, mit denen sich hier eine Industrie fett verdient?

Und ich frage mich, weshalb die Menschen auf diesen Wahn reinfallen. Die Mannequins erschrecken uns mit Rippen, als würden wir an der Modeschau Geisterbahn fahren. Und während sich die heterosexuellen Männern einst nach einer «stattlichen» Frau umgeschaut haben, ist heute, wo in einem früheren Leben der Busen wie zwei Monde aus dem Mieder aufstieg, mageres Flachland und staubige Wüste. Ja, da muss sich aber keiner wundern, dass immer mehr Männer die Illu «HIM»? «MEIN BESTER FREUND!» und weiche Gummipuppen in Übergrössen kaufen.

Was ich eigentlich sagen wollte: Freut euch über das Schöne, Runde, Weiche. Steht zum Speck auf den Hüften. Zum Fett am Schinken. Und singt jedem neuen Doppelkinn ein Halleluja.

Vermutlich wirds im nächsten Jahrhundert eh wieder Mode? Geniesser sind dem guten Geschmack schon immer ein paar Kilos voraus gewesen?

Montag, 20. Oktober 2008