Die Freundin

Die Sonne schien erstmals warm. Eric war glücklich.
Frühling? das war immer ein Neuanfang.
Mit einer spitzen Schaufel traktierte er das Beet neben den Rosen. Hier hatte er Cécile vor gut einem Jahr begraben. Verträumt hatte sie gelächelt. Und er ihren zarten, feinen Kopf geküsst. Dann hatte er geweint. Und das Grab zugeschaufelt.
Er hatte Cécile bei einer Bowling-Freundin kennen- gelernt. Anita hatte ein Auge auf Eric geworfen. Und ihn zu einem Spaghetti-Abend eingeladen. Doch Eric hatte nur Augen für Cécile gehabt. Drei Tage später stand Anita mit Cécile vor seiner Türe: «Ich bin eine gute Verliererin», lachte sie. «Ich habe euch beide gesehen. Und gleich alles gewusst...»
Erics Herz hatte gerast. Ihm ging das alles zu schnell. Er hatte sich bis anhin noch nie verliebt. Im Übrigen wusste er nicht, wie die Mutter reagieren würde. Sie war auf seine Besuche allergisch.
«Wir haben Besuch, Mamma!», rief er ins Haus. Seine Mutter antwortete mit einem Knurren. Übte aber weiterhin Klavier. So konnte er die beiden hereinbitten.
Cécile blieb. Trotz des Protests der Mamma.
Eric trug seine erste Freundin buchstäblich auf Händen. Und lachte nur, wenn seine Mutter den Altersunterschied ins Spiel brachte. Oder die etwas seltsame Art der Angebeteten: «Du bist doch nur eifersüchtig, Mutti!»
Es war das erste Mal, dass er sich gegen seine Mutter durchsetzte. Er ging nun auch mit Cécile in die Ferien. Mutti blieb verschnupft daheim.
Er hätte mit Cécile gerne über ihr vorheriges Leben, ihr Alter, ihre Verflossenen gesprochen. Aber Cécile war die Verschwiegenheit selber.
Also hakte Eric bei Anita nach. Doch die war keine grosse Hilfe: «Sicher ist, dass sie von einer uralten Familie stammt?du siehst ja selber, Cécile ist schwer zu schätzen... das sind Vegetarier oft...»
Cécile lebte strikt vegetarisch. Also änderte auch Eric seine Kost. Und verschmähte jetzt die Frikadellen seiner Mamma. Früher hatte er die heiss verschlungen.
Das Resultat war ein zünftiger Krach: «Du spinnst doch! WILLST DU DENN MAL SO AUSSEHEN WIE D I E?! Eine ausgewogene, gute Ernährung ist wichtig. Das Biest verdreht dir doch total den Kopf? sie kommt mir jetzt aus dem Haus! Immerhin ist das noch M E I N Grund und Boden!»
Eric erzählte beim Bowling deprimiert alles Anita. Diese klopfte ihm auf die Schultern: «Kopf hoch ? Cécile macht sich im Herbst eh immer vom Acker. Das ist so ihre Art. Sie braucht dann ihre Auszeit!»
UND SO WAR ES.
Eric wusste kaum, wie er ohne Cécile durch den Winter kam. Nur die Mutter blühte auf.
Künftig waren diese Aus-Zeit-Momente von Cécile für Eric eine Qual. Aber er wusste: ES MUSSTE SEIN, wollte er sie nicht verlieren. Und es kam ja immer wieder ein Frühling.
Dann w a r Frühling. Die Erlösung. Cécile kam zurück.
Als er sie jedoch zaghaft aus dem Grab heben wollte, merkte er, dass sie tot war. Sie lag kalt in seinen Händen? der Altersunterschied war vermutlich doch viel grösser gewesen.
«Mamma» schrie er, als er die Mutter über den Rasen laufen sah. «MAMMA!»
Sie gab ihm eine Kopfnuss. «Jetzt mach kein so Drama wegen einer Schildkröte!»
Dann lächelte sie: «Heute Abend gibts Frikadellen!»

Montag, 18. März 2013