«Ohne Schlips geht nix!», kicherte Katy, meine zweitbeste Freundin, als ich mich vor dem Spiegel verrenkte. Und keuchend dieses winzige Löchlein in dem verknitterten Seidenband suchte, in das sich der kleine Metalldorn einhaken sollte.
Schliesslich gab ich auf.
«INNOCENT!»
Der Beste erschien in diesem Traueranzug, den Übermütige Smoking nennen.
Er sah aus wie eine dieser dicken Kanonen, welche alte Kriegsschiffe zieren.
IMMERHIN - ER WAR STARTBEREIT. SEIN PROPELLER SURRTE SCHON.
Lamento meinerseits: «... ich bekomme diesen verdammten Schlips nicht zu! WESHALB MÜSSEN DIE FÜR IHRE PREMIEREN AUCH SMOKING VORSCHREIBEN? ICH HABE GEDACHT, SOLCHE ZEITEN SEIEN ENDGÜLTIG VORBEI UND...»
«Im Gegenteil!», mischt sich nun Katy ein. Und wirft lässig eine Stola um die nackten Schultern, «solche Zeiten kommen wieder. Schliesslich ist es nicht mehr als recht, dass Männer sich für Frauen auch schön anziehen...»
«Wir tun es nicht für die Frauen. Wir tun es für die Garderobenvorschrift in der Oper!», korrigiere ich pingelig. «Überdies ist es eine schreiende Ungerechtigkeit; Weiber haben die ganze Farbenwelt zur Auswahl. Von Pink bis Giftgrün. Sie werfen sich noch ein paar Klunker an. Und fertig ist die Henne. DEM MANN, DEM ARMEN WESEN, ABER BLEIBT NUR DIE ENGE DES SMOKINGS. UND EIN SCHLIPS, AN DEM ER SICH GLEICH MAL AUFHÄNGEN KANN...!»
Es entwickelt sich vor dem Spiegel eine heftige Diskussion über die Emanzipation des Mannes - und das Schlussresultat gibt wieder einmal Katy durch, nämlich: Dass der Smoking die gerechte Strafe für einen unemanzipierten Mann sei, der sich nicht gegen die Diktatur eines Schlipses auflehnen könne.
APROPOS - MEINER SITZT IMMER NOCH NICHT!
Innocent, dieser gütige Mensch, steht plötzlich mit einer giftgrünen Samtfliege vor mir. Sie hat einen sogenannten Klettverschluss. Er sagt: «... meine Reserve! Jetzt klebe ich dir diese um, und nichts wie los - die Musiker klimpern schon.»
So geht es mir an den Kragen. Innocent drückt zu. Und bald schon wäre ein Mord noch vor dem ersten Akt passiert - denn:
DAS BAND IST KURZ, MEIN HALS IST VOLL.
«HILFE!» - KEUCHE ICH (IN MOLL): «Ohne Schlips kommst du nicht rein!», wird Katy nun giftig.
Ich werde es ebenso. Und schaue neidgrün auf ihre Woolworth- Plastikperlen, die ihr lose-locker um die Gurgel bambeln.
«DU hast gut reden, mit deinen Wundertütenkugeln aus dem Media-Markt.»
«Oh - ist dir jemand auf den Schlips getreten», kichert meine liebe Freundin nun. Und dann sagt Innocent: «So!»
Ich spüre, wie mir die Sprache fehlt. ABGESCHNÜRT. ABER DER SCHLIPS SCHLIPST!
Vier lange Stunden hocke ich mit kurzem Atem dieses lange Werk ab, das Mozart mit so leichter Hand geschrieben hat. Beim letzten Ton gibt das Klettband den Geist auf, und wie ein Pfeil schiesst der giftgrüne Samtschlips ins Hochtoupierte der Vorderfrau.
Sie dreht sich um: «Volltreffer!»
Aber da lag ich auch schon ohnmächtig im Samtsitz und Katy wedelte mir mit dem Programmheft Frischluft zu: «Typisch - tut mal wieder, als hätte er alle Sorgen dieser Welt am Hals.»
NEIN. NUR EINEN SCHLIPS!