Lida sah den Ring. Und das Funkeln war stärker als ihr Gewissen.
Rasch liess sie den Klunker in ihre Schürzentasche verschwinden.
Als Marion den Verlust des Schmucks bemerkte, schrie sie Zetermordio.
Bald kam die Polizei ins Haus. Mit ihr auch der Versicherungsmann.
«Er war von Gino», weinte Marion. Und schnäuzte sich die Nase rot.
«Wer ist Gino?», fragte der Polizist und zückte sein Notizbuch.
«Ein Freund», schluchzte Marion.
Tatsächlich war Gino etwas mehr gewesen. Ernest hatte den Geschäftskollegen zu einem Lunch heimgebracht. Und obwohl ihr Gatte Marion später immer wieder vor dem schönen Sizilianer warnte («pass auf? dieser Gino ist ein mieser, falscher Hund!») loderte Marion bei den feurigen Blicken wie sonnengetrocknetes Stroh.
Sie trieben es heiter auf dem Segelboot des Liebhabers. Und als Marion die Beziehung wegen Schuldgefühlen gegenüber Ernest hatte abbrechen wollen, hielt sie Gino mit dem Ring bei der Stange: «20 KARAT!»
Allerdings konnte die Ärmste das Geschenk nie öffentlich tragen. Also trat sie die Liebesgabe für 80 000 Franken an ihre stinkreiche Freundin Gloria ab. Gloria lebte in Los Angeles. Dort trugen Weiber solche 20-Karäter zur Schau wie Roms Päpste ihre roten Socken.
Damit Gino nichts merkte, liess sie sich für 140 Franken ein Duplikat aus geschliffenem Kristall anfertigen.
«Was ist mit ihrer Haushälterin?», wollte nun der Polizist wissen.
«Für Lida lege ich meine Hände ins Feuer!», schniefte Marion.
«Wie hoch war der Wert des Rings?», mischte sich der Versicherungsagent ein.
«Er war mehr ideeller Art...», hauchte Marion. Dann trocken und klar: «250 000 Franken!»
«Sie sind aber unterversichert», triumphierte der Agent. «Sie bekommen nur 50 000.»
«Eure Schmuck-Prämien sind einfach zu hoch...», weinte Marion.
Lida, die im anderen Zimmer lauschte, erschrak. EIN VERMÖGEN STECKTE IN IHREM SCHÜRZENSACK? 250 000 Franken! Das Gewissen begann zu rumoren: die arme Madame.
Abends kam Lida aufgeregt ins Musikzimmer gestürmt: «Ich habe ihn gefunden! Er lag unter dem Teppich, Madame.»
Madame juckte auf, als hätten sie tausend Flöhe gebissen: «DU DUMME KUH, lass ihn verschwinden? die Versicherung bezahlt 50 000 Eier für den Schutt!»
Lida gab den Klunker ihrem Vetter Augusto. Der handelte auf italienischen Autobahnen mit gefälschten Rolex-Uhren. Augusto drehte den Ring einem amerikanischen Touristen an: «300 Dollars für 20 Karat! Wer wird da zögern...!»
Bei der Ausreise in Rom wurde der Amerikaner verhaftet. Die Carabinieri erkannten den Ring, dessen Bild in allen Polizeistationen Europas aushing, sofort.
Der Mann kam ins Verhör: «Ich habe ihn an einer Autobahnraststätte für 300 Euro gekauft...»
«DER RING IST 250 000 SCHWEIZER FRANKEN WERT!», tobte der Commissario. «ABFÜHREN!»
Die Carabinieri benachrichtigten die Kollegen in der Schweiz? diese wiederum Marion: «Wir haben den Ring gefunden!»
«Oh», hauchte die.
Marion bekam von der Versicherung keine 50 000 Eier? aber drei Monate später einen Anruf von der aufgebrachten Gloria aus Los Angeles: «Ich habe gestern meinen Schmuck schätzen lassen. Dabei hat sich herausgestellt, dass der 20-Karäter von deinem Gino eine schäbige Kristallkopie ist... hast du eine Erklärung?»
«Mieser, falscher Hund!»
Der Ring... nicht von Wagner
Montag, 15. April 2013