Deidideldumm

«Damit können Sie auch fernsehen!»? Die Verkäuferin war gereizt.
Seit einer geschlagenen Viertelstunde betete sie diesem Alten nun ein Mobiltelefon nach dem andern hin. Und der zuckte stets nur mit den Schultern. «Ach, ich weiss nicht recht...»
Heinz wurde immer unsicherer. Weshalb nur hatte er diesen verdammten SHOP betreten? Und was wollte diese miesgelaunte Zicke mit der silbernen Kugel im Nasenflügel von ihm? Heinz mochte gepiercte Nasenflügel nicht. Und schon gar keine miesgelaunten Fräuleins.
Er schielte auf deren Namensschild an der schwarzen Kunststoffbluse:
«Also Fräulein Schneider...»
«FRAU SCHNEIDER!», schaute sie ihn eisig an.
«Ja, Frau Schneider? es ist nämlich so: meine Kinder meinen, ich sollte für sie immer erreichbar sein und...»
Frau/Fräulein Schneiders Piercing bebte. Sie kannte diese Fälle, wo das Handy die Aufgabe des babysittenden Überwachers bekam: «... also ich würde Ihnen ein ganz einfaches Modell empfehlen, guter Mann...»
«HERR IMHOF», konterte nun Heinz seinerseits eisig.
«Ja, Herr Imhof? wichtig ist in Ihrem Fall vermutlich einfach, dass Sie Ihre Kinder anrufen können. Und umgekehrt...»
Heinz Imhof hatte sein Leben bis anhin ganz passabel ohne mobile Empfangsschaltung gemeistert.
«Opi? du bist hoffnungslos out!», hatten ihn seine Enkel zwar immer wieder gelöchert, weil man ihre GAME-PLAY-STATION nicht an seinen alten Grundig anschliessen konnte. «Es gibt jetzt scheissbillige Fernseher mit allem Drum und Dran... Mach dich doch mal im Internet schlau!»
Heinz hatte kein Internet. Hatte keinen Computer.
Hatte überhaupt nichts von diesem elektronisch beschissenen DRUM UND DRAN...
Die letzte diesbezügliche Errungenschaft kam noch von seiner Louise selig: ein strombetriebener Büchsenöffner, den sie von der Warenmesse heimgeschleppt hatte. Er hatte nichts dagegen gesagt. Aber immerhin war ER es ja gewesen, der stets die Büchsen für sie öffnen sollte. Und ER hatte sich weiterhin seines Militärtaschenmessers bedient, das noch immer jede Konserve problemlos aufhackte.
Also kam der Elektroöffner in den Küchenkasten.
Weit hinten.
«Ich hätte gerne so ein Glasiges...», versuchte sich Heinz nun doch bei Frau Schneider einzubringen.
Seine Enkel besassen alle diese Glasigen. Überhaupt? so schien Heinz? schien sich die ganze Welt das Leben nur noch über dieses Glasding reinzuziehen.
«Das ist ein iPhone. Ich glaube, das wäre nicht das Richtige...?»? Der Ton von Frau Schneider hiess «SORRY, DU ALTER KNACKER? ABER DIESE WELT IST FÜR DICH ABGEFAHREN!»
Also nahm er das Billigstmodell. Und rief seine Tochter an.
Lotti nahm erst beim dritten Mal ab: «ACH PAPI? DUUU?!? ICH HABE DIE NUMMER NICHT ERKANNT...»
Verwirrt drückte Heinz den Knopf mit dem roten Telefonhörer. Zwei Minuten später stierte er gebannt auf das neue Apparätchen, das in seinen Fingern vibrierte und fröhlich didudeldeite...
«Bei Deidideldumm GRÜNER KNOPF», hatte ihm Frau Schneider eingeschärft. Er drückte ihn.
«PAPI? DU BIST JETZT GESPEICHERT!», tönte es ihm entgegen.
Er nahm das Telefon ans Ohr. Und spürte ganz plötzlich einen feurigen Stolz: ER GEHÖRTE DAZU... DIE WELT HATTE IHN WIEDER...
«Lotti, brauchst du einen elektronischen Dosenöffner?», bellte er in den Hörer.

Montag, 6. Februar 2012