Sie sahen aus wie vom Mars: eine Gruppe kleiner, silberner Männchen.
Sie wackelten mit ihren fetten Gummiköpfen. Wenn jemand eine Münze in die kleine Kartonschachtel warf, hüpften sie freudig auf und lachten schallend drauflos? ein Lachen, das an den einstigen Lachsack erinnerte. Und alle Menschen mitlachen liess.
«Köpfe ab!»
Der Polizist stand drohend vor der Gruppe, die am römischen Corso auf dem Boden sass.
Sein Kollege brüllte: «Wirds bald!»
Zögernd schälte Vadim die Gummimaske vom Kopf.
«Dacht ichs doch!», knurrte der Carabiniere. Und schaute triumphierend zu seinem Mitstreiter: «ZIGEUNER!»
«Wir sind Roma», sagte Vadim ruhig, «ROMA AUS RUMÄNIEN!»
Vadim hatte nichts gegen das Wort Zigeuner. Auch untereinander sprachen sie nicht von Roma. Sondern von Zigeunern. Die Sinthi waren da anders. Sie versuchen das Wort auszurotten? so wie die Menschen immer wieder versucht haben, die Zigeuner auszurotten.
Vadim zeigte den Carabinieri einen Wisch, den man ihm? nachdem er vier Tage lang von einer römischen Beamtenstelle zur andern geschickt worden war? endlich ausgestellt hatte: Seine Leute hatten das Recht, in diesem Land zu bleiben.
OFFIZIELL. UND MIT STEMPEL.
Bis vor sieben Monaten hatte die Gruppe in Siebenbürgen gelebt. Sie hausten in Wohnwagen. Und sie lebten vom Musizieren. Die Leute in Rumänien mochten die Roma nicht. Vadim konnte den Hass in ihren Augen sehen. Und als Vadims Familie zum achten Mal das Lager mit den Wagen abgefackelt worden war, floh die Gruppe nach Italien. Und bat um Asyl.
Sie waren passable Musiker. Camil ein hervorragender Trompeter. Romina hatte einen goldenen Sopran. Und Vadim war Geiger. Ein Virtuose.
Wenn sie musizierten, blieben die Leute stehen. Dann schauten sie in ihre Gesichter. Und gingen abrupt weiter? man mochte ihr Spiel. Aber man hasste die Zigeuner.
Auch in Italien spürte Vadim diese Ablehnung, die Argwohn der Menschen. Es war schwer, damit zu leben? seine Traurigkeit vibrierte im Geigenspiel.
Eines Tages hörte Vadim ein kleines Kind lachen. Er wurde von den hell gackernten Lauten angesteckt. Und lachte mit.
ES WAR EIN GESCHENKTES LACHEN!
Da kam ihm die Idee: «Wir sprayen unsere Kleider silbern. Und nehmen Gummimasken. So sieht kein Mensch, dass wir Zigeuner sind. Wir geben den Menschen das verlorene Lachen zurück? immer wenn sie eine Münze spendieren, lachen wir laut los.»
Die Rechnung ging auf. Die Leute schauten gebannt auf die Gummiköpfe? und wenn die dann loshiepten, lachte bald die ganze Strasse.
Das Lachen der Gruppe war ansteckend. Befreiend. Für viele Menschen war es, als würde ein stählernes Band um ihr Herz platzen. Und ihnen Luft machen.
JEDER BEZAHLTE GERNE FÜR EIN LACHEN, DAS IHM SCHON VOR LANGER ZEIT GESTOHLEN WORDEN WAR.
Das Lachen wurde der Hit im römischen Strassenzirkus. Und Vadims Gruppe lebte gut? zwei Monate lang. Bis einer der anderen Strassengaukler sie aus Neid denunzierte. «Das sind Zigeuner. Unter der Maske könnten aber auch Terroristen stecken...»
Deshalb nun: «Kopf ab!»
Die Carabinieri sammelten die Köpfe ein. Und stierten angewidert auf die Gruppe: «Lachen könnt ihr auch ohne Gummikopf! Wenn es bei euch überhaupt etwas zu lachen gibt...»
Das gab es nun nicht mehr. Denn wie gesagt: Zigeuner! Oder eben: Roma? das wunderbare Gekicher, die herrlichen hohen Lachsalven der Kinder und das tiefe, gurgelnde «UOHAHAHA» der Alten machten sofort einem kalten Misstrauen Platz.
So war der Ewigen Stadt das Lachen wieder abhandengekommen. Und jene graue, eisige Gleichgültigkeit legte sich erneut auf die alten Strassen mit den ockerfarbenen Hausmauern.
Wer dieser Wintertage aber an einer der römischen Strassenecken einen jungen Geiger sieht, der mit dunklen, traurigen Augen sein Lied von den Saiten weinen lässt? dann ist gewiss: Das ist Vadim, der Roma, der das Lachen sucht.
Und mit ihm suchen wir es alle.
Das verbotene Lachen
Montag, 2. Januar 2012