Er stellte die Frage beim Frühstückskaffee.
Die ersten bunten Ostereier lagen im Silberkörbchen.
Daneben Mayo. Und Aromat.
Immer wenn es Ostern wird, stellt er diese Frage? DIE KOMMT WIE DAS AMEN IN DER KIRCHE. ODER DER DOTTER IM EI. UND SISSI AN WEIHNACHTEN.
«Wer war zuerst da? Das Huhn? Oder das Ei?»
Dann grinst er triumphierend über diesen witzigen Knaller. Greift zum Hartgesottenen. Und knallt das Ei mit dem Messer in zwei Teile. ES IST ZUM HÜHNER KRIEGEN.
«Das Ei!»
«Bitte?»
«Das Ei war zuerst. Die Bibel redet von Adam. Also vom Ei. Das Huhn kam später...»
«Das ist eine sehr gewagte These. Ratzinger hätte keine Freude, wenn du Eva als Huhn bezeichnen würdest.»
Innocents Nase zittert, wie der Flügel eines Airbus bei starken Turbulenzen: «Was ist das für ein Ei?»
«Ein Osterei.»
«Es stinkt!»
MIR STINKTS JETZT DANN AUCH GLEICH.
«Es ist gestern frisch eingekauft worden. Das Frischedatum eiert an Pfingsten aus. ALSO HÖR AUF MIT DEM MIST!»
Schweigen.
Dann: «Es hat einen leichten Hauch von Fisch. Die haben ihre Hühner bestimmt mit Fischmehl gefüttert. MEIN GOTT WO LEBEN WIR?»
Die Welt hungert. Die Atomkraftwerke beben. Und hier schmeckt ein Ei nach Fisch. MANCHMAL KÖNNTE ICH IHN FETZEN!
«Streich Mayo drauf. Und schluck!»
Er nimmt von mir keine Ratschläge an. Ich muss immer so tun, als seien es seine guten Ideen. Dann klappts. Hier aber nicht. Er schiebt das Ei angeekelt weg: «Weshalb kaufst du nicht BIO?»
«Das war Bio. Ich kaufe nur BIO!»
Jetzt lacht er höhnisch auf: «Das ist ja wieder mal typisch? Hauptsache teuer! Du verplemperst unser Geld ohne zu überlegen. Diese Bio-Masche ist doch alles nur Geldmacherei. Wer garantiert dir, dass dieses Huhn, das mir so ein Ei gelegt hat, wirklich biologisch gehalten wurde und...»
«Das wird streng kontrolliert...»
«Ach ja? Und wie? Geht da Herr Bio hin und sagt: Guten Tag Frau Huhn? Wie stets mit Ihrer Haltung? DIESEN BLÖDSINN KANNST DU DEN STERNEN ERZÄHLEN.»
Nun werde ich leicht madig. «Du hast mich gefragt, ob dieses Ei bio sei. Und es ist BIO.»
Für einen Moment wird er nachdenklich: «Bio sieht man auch nicht mehr.»
«JETZT HAST DU EBEN NOCH BEHAUPTET, WIR WÜRDEN MIT BIO ÜBERSCHWEMMT.»
«Ich meine den mit dem -lek dran. BIOLEK. Seine Kochsendungen fehlen mir.»
Das war ein Hieb gegen meine Sendung. Deshalb reagiere ich wie vergessene Milch? säuerlich: «Ich wollte nicht, dass du dieses BIO-Zeug essen müsstest.»
«Er würde jedenfalls nie harte Eier auftischen, die nach Fischmehl stinken!»
Dann tätschelt er meine Hand: «Früher, ganz am Anfang unserer Zweisamkeit, hast du die Eier noch selber in die Hände genommen. Du hast sie bei der Leymener Eierfrau geholt. Und auf Ostern schön gefärbt. Das waren noch Zeiten!»
«Das war in der EI-szeit. Vor über 40 Jahren. Die Eierfrau ist tot und längst wieder ausgegraben. Im übrigen hat sie brutal getrickst.»
«WIE, GETRICKST?»
«Also? ihre Eier, die sie stets in einem Körbchen zum Kauf feilbot, hat sie jeweils in der Migros schachtelweise eingekauft. Mit Dreck verschmiert. Und sie uns zum doppelten Preis als frischgelegte BIO-Produkte verkauft. Die Eierfrau hatte gar keine Hühner!»
Innocent wirft das Fischmehl-Ei in den Mistkübel. Bestreicht sich ein Stück Zopf mit Mayo. Und hoovert alles genüsslich rein.
«Ist diese Mayonnaise von glücklichen Eiern?», gebe ich den Zweifel zum Tag durch.
«Du kannst einem aber wirklich auch alles vermiesen!», nervt er sich.
Ich hole zur Versöhnung das Schokolade-Ei, das ich ihm eigentlich an Ostern hinter dem Johannisbeerbusch verstecken wollte. «DA! FROHE OSTERN: UND WENN DU MIR EINES SCHENKEN SOLLTEST, DANN BITTE NUR DUNKLE SCHOKOLADE!»
Er schaut mich streng an: «Hast du geprüft, ob die Kakaobohnen fair gehandelt wurden? Oder ob da Menschen für Hungerlöhne ernten mussten?»
Ich muss sagen: Es ist nicht einfach ein Osterhase zu sein.
Das schwere Los des Osterhasen
Montag, 18. April 2011