Das Kürbis-Ingwer-Süppchen und andere tolle Rezepte

Die letzten zehn Mal war es eine Thonmousse von Betty Bossi: Eiergarnitur. Geviertelter Grünspargel. Und Tomatenblume.
Vor acht Jahren war es noch das Kürbissüppchen. Mal kalt. Mal warm. Mal mit, mal ohne Schaum.
ABER IMMER MIT INGWER.
Das Süppchen suppte sich durch unsere ganze Freundesrunde. Es kam so sicher wie das Amen in der Kirche vor dem Hackbraten mit den Dörrzwetschgen.
DEN HATTE UNS TANTE KALTENBACH IN IHRER RUBRIK «SCHON SCHÖN GEKOCHT?» EINGEBROCKT.
Mit anderen Worten: Seit unsere Freunde alle kochen, wird der Menüplan von irgendeiner Kochsendung oder einer Gourmetseite diktiert.
Rezepte sind heute der Leitartikel jeder Zeitung. Entsprechend heisst auch das Rezept jedes Erfolgsverlegers: NICHT OHNE EIN REZEPT!
Also kneten alle aus dem Kochen eine Show. Statt dass sich die Stars wie einst die Füsse wund steppen oder zwei Schlager trällern, schnippeln sie jetzt Möhrchen. ICH AUCH.
Denn das Gekochte wird vom Publikum sofort nachgeeiert. Wie ein Tsunami rollt das Kürbis-Ingwer-Süppchen über die Tische der Nation. Danach kommt die Thonmousse mit dem Ei, das zurechtgeschnetzelt wurde. Etwas ungeschickte Fingerchen haben es in Zacken gehauen, sodass der verdotterte Eiring aussieht wie ein Zahnrad mit argem Karies.
Täglich eiern in Gästerunden Tausende von Zahnradeiern auf Thonmoussen herum. Vorher kommt der Ruf zu Tisch: «Ich koche euch etwas, ich habe es im Fernsehen gesehen. Monika Kaelin hat es zubereitet...»
NA BINGO! Das ist der Moment, wo mein Freund und ich zu Hause dann einen Landjäger reinziehen. Und mit einem Seufzer der Entschuldigung? «Magenverstimmung!»? das hundertste Zackenei zurückschieben.
Als ich vor nun 45 Jahren mit dem Vorschlag, «wir könnten den Politmief mit einem Kochrezept aufmotzen», die Redaktion der damaligen «National-Zeitung» schockte, war die Rubrik «Was kochen Sie heute?» ein Novum. Tageszeitungen kochten damals ihre Parteiensüppchen.
Und das Einzige, zu dem Redaktoren ihren Senf gaben, war zu den Beschlüssen des Grossen Rats. Ansonsten war Senf tabu. Und das Kochen der Hausfrau überlassen.
Wie immer, wenn es ums Kochen geht, wusste es schon damals jeder besser. Der vorgeschlagenen Serie ging nämlich eine Redaktionskonferenz voraus. Und da wurde mein pfannenfertiger Artikel zerzupft wie der Pfannkuchen, der zur schwäbischen Kratzete wird.
DIES, NOTABENE, VON DENEN, DIE DAS RUSSISCHE EI FÜR EIN SONNTAGSESSEN HIELTEN!
Es war Kurt Aeschbacher, der in seiner Karussell-Show erstmals im Schweizer Fernsehen eine Kochsequenz einbaute. Er holte den Basler Andreas Morel an die Pfanne. Und die Sache wurde sofort ein Erfolg.
Als Morel einmal nicht konnte, musste ich einspringen. Kochte Gnocchi. Und vergeigte das Ganze, weil die Dinger nicht aus dem Wasser hochkommen wollten. Sie lagen kalt und tot auf Pfannengrund. Irgendsoein Trottel hatte den Stecker aus dem Herd gezogen.
Da es damals nur einen Fernsehsender gab, konnten die Leute nicht umschalten. Heute haben wir auf der Schüssel gute 2380 TV-Stationen. Und jede mixt sich durch vier Kochshows. Das hat zumindest den Vorteil, dass es an Einladungen nun nicht immer nur das vermaledeite Kürbissüppchen gibt. Sondern nun versuchen sich die Gastgeber mutig auch auf chinesische oder indische Art: Sie häckerln Koriander und kochen hundertjährige Eier.
WEN WUNDERT ES, DASS DER GAST AM TISCH DEN ABEND MIT NOSTALGIE WÜRZT: «KÖNNT IHR EUCH NOCH AN MARIANNE KALTENBACH UND IHREN HACKBRATEN MIT DÖRRZWETSCHGEN ERINNERN?»
Alle haben Tränen in den Augen. Nur die Gastgeberin nicht? energisch klatscht sie in die Hände: «Und nun die 100-jährigen Peking-Eier an Mangoschaum...!»
Gottlob haben wir den Landjäger bereits intus...

Montag, 28. Juni 2010