Bräute sind weiss. Tüllig. Und meistens haben sie einen Blumenstrauss in den zarten Händen - einen zumeist länglichen Fetzen, der sich an jeder Beerdigung als Sargbouquet gut machen würde.
Die Männer neben den weissen Bräuten sind schwarz. Zumindest, was ihre Kluft betrifft. Wenn es hoch hergeht, sehen sie aus wie wienerische Droschkenkutscher oder dieser Diener, der am Silvester stets über das Eisbärenfell (oder ist es ein abgeschossener Löwe?) stolpert.
Jedenfalls ist Heiraten eine weiss-schwarze Angelegenheit. Und in neun von zehn Fällen schleppend. Dies allerdings nur auf der Brautseite. Hier ist die Schleppe am Rock das Wichtigste. Und wichtig ist natürlich auch der Schleier. Keine Feier ohne Schleier!
In der Stube unserer Dreizimmerwohnung hing ein goldgerahmtes Foto über dem Buffet. Im Rahmen zeigten sich meine Eltern - schwarz-weiss getraut.
Vater trägt auf der Foto einen teerfarbigen Anzug mit silberner Fliege - Mutter hat man eine Drahtkrone ins Haar gedrückt. Die Krone ist mit weissem Tüll umwölkt: «Es war die totale Tortur», hat Mutter immer erzählt. «Am Krönchen war der Schleier befestigt. Und dieser Schleier war ellenlang. Das Brautkleid hatte keine Schleppe - das wäre zu teuer gekommen. Also musste der Schleier die Schleppe hergeben?» An dieser Stelle bekam Mutter glänzende Augen: «Frau Marti, die mir das Kleid nach einem Zofinger Schnittmuster zugeschneidert hatte, suchte für diesen Schleier einen Vorhangstoff aus, der feinmaschig war.» Die Tüllpracht, die eigentlich zur Abdeckung eines Schlafzimmerfensters gedacht war, brezelte die Schneiderin dann rund um die Drahtkrone auf. Und da der Schleier gute sechs Meter lang war (man musste ihn nämlich für das Brautfoto die Treppe runter drapieren können - das war der letzte Schrei), sollte er beim Gang zum Altar von unschuldigen Kinderhänden getragen werden. «HA! UNSCHULDIGE KINDERHÄNDE!» Hier funkelten Mutters Augen jeweils wie speiende Vulkane: «Hätte ich nur auf Emmi gehört.»
Emmi war von Anfang an gegen Kinder am Kleid. «Kinder und Hunde verhunzen dir jedes Fest», hat sie mich gewarnt. «Aber natürlich wollten die Cousinen deines Vaters, dass ihre Rotznasen als Schleppenträger gross rauskommen - und ran an den Tüll! Als ich in die Kirche schritt und die Orgel «So nimm denn meine Hände» spielte, da haben die kleinen Vettern an der Schleppe gezogen, wie Oesters Lysette am Bricelet-Teig. Jedenfalls gab es einen Ruck durch mein Haar - und weg war die Krone. Dein Vater hat sich am Altar fast krummgelacht, und die ganze Festgesellschaft mit ihm - das war ein Tohuwabohu, so dass der Organist hurtig auf «Grosser Gott wir loben dich» umorgelte. Mir liefen die Tränen nur so runter und alle dachten es sei die Rührung - es war aber die blanke Wut im Bauch!
Damals habe ich mir geschworen: Wenn ich wieder mal heirate, dann im Kurzen und ohne schleppende Kinder!»
Als ich nun vor ein paar Tagen Emmily, mein Patenmädchen, zum Altar führen sollte, freute ich mich auf die Schleppe. Den Schleier. Und das Krönchen.
DOCH SCHRECK LASS NACH: EMMILY KAM SHOCKINGPINK UND KNIEKURZ!
Sie tätschelte mir die Wange: «Ach Alterchen - weisse Bräute gibt es doch nur noch in Soap Operas oder als Waschpulverreklamen!» So ist unsere Familie nie zu einer richtigen Schleppe gekommen.