Beifahren

Elsie hebelte demonstrativ am Beifahrersitz herum.
Natürlich hatte Walti ihn verstellt. Dabei waren sie genau gleich gross: 170 gelebte Zentimeter.
ABER NEIN? E R FÜHLTE SICH, WIE IMMER, GRÖSSER.
Walti seinerseits fuhr den Fahrersitz zurück.
«WALTI? JETZT HÖR AUF, AN DEM SESSEL RUMZUWERKELN!»
«D u werkelst, Elsie?der Beifahrersitz war genau programmiert. Rückenschonend. ­Nackenstützend. UND JETZT KOMMST DU UND MACHST EINEN ZWERGENSESSEL DARAUS!»
AM BESTEN: FRAU SCHWIEG!
Walti fuhr los. Nach drei Sekunden: «Der Blinker, Walti?»
«Was iss?»
Elsie ungeduldig: «DER BLINKER? DU HAST NOCH DEN BLINKER AN.»
Er gab keine Antwort. Und dlaggdlaggdlagg? machte der Blinker.
«HAST DU DIE OHREN DRIN?»
Keine Antwort.
Dann Elsie brüllend. «DER BLIIIINKER?!»
Walter fuhr gleich auf 100: «DAS HÖRE ICH DOCH! Wir biegen aber rechts ab, oder?»
«Ja. Aber erst nach drei Strassen?»
Nun hatte sein Kopf die Röte einer SP-Fahne: «WER FÄHRT EIGENTLICH? DU ODER ICH?!»
Elsies Stimme wurde eiszapfenkalt. «Lass mich raus!»
Walti sagte nichts. Sondern bog rechts ab.
«LASS MICH RAUS! SOFORT?»
Walti drückte genervt aufs Pedal: «Jetzt hör auf mit diesem Mist? jedes Mal dasselbe Theater!»
Dann höhnte er: «Was glaubst du eigentlich, wie toll sich der Beifahrer neben Frau Elsie fühlt??»
Die Wut war ihm in den Fuss gefahren. Er bretterte satte 80.
«HIER IST 30ER-ZONE? WALTI!»
«FAHRE I C H ODER D U?»
Schweigen. Dann das spitze Statement von Elsie. «Mir wäre lieber, i c h würde fahren?»
«Ja klar. Und dann ist die ganze Karre wieder futsch!»
Elsie lachte höhnisch auf: «Es war ein winziger Kratzer. Nur mit der Lupe zu sehen. Und wenn du nicht deine Werkzeugkiste in die Garage gestellt hättest? WO SIE WEISS GOTT NICHT HINGEHÖRT, WALTER!?, also wenn ich da nicht in der letzten Sekunde hätte ausweichen müssen, hätte es nicht gekratzt!
«Frauen haben eine verlangsamte Reaktion!»
Jetzt begann Elsie zu hyperventilieren: «JA KLAR ? SAGS DOCH GLEICH: FRAUEN GEHÖREN AN PFANNEN UND PAMPERS. NUR NICHT ANS STEUER! HIMMEL? IN WELCHEM JAHRHUNDERT LEBST DU EIGENTLICH?!»
Die Halsschlagader von Walti schwoll zu einem Schiffstau an: «NOCH EIN WORT UND DU KANNST DIE WEIHNACHTSGESCHENKE SELBER SCHLEPPEN. MEINST DU, M I R MACHT ES SPASS, MIT DIR IN DIESES SCHEISSCENTER ZU FAHREN UND MICH VON DIR ANPISSEN ZU LASSEN?»
Im Radio düüdelte Bing Crosby sein Lied vom ­rotnasigen Rudolf, dem Rentier. Elsie hatte jetzt rote Augen? und schniefte. «Immer vor Weihnachten hast du den Blues, Walti? was kann ich dafür, dass du eine unglückliche Jugend hattest?!»
«ICH WAR EIN GLÜCKLICHES KIND!», brüllte Walti. Und gab Vollgas, um diesen Vollarsch von Velokurier rechts zu überholen.
«WALTI!»? schrie Elsie. «DU HÄTTEST IHN FAST GERAMMT?!»
Der Velofahrer zeigte den Stinkefinger. Plötzlich funkelten Lichter. Es war nicht der Weihnachtsmann. Es war die hysterisch blinkende Beere des Polizeiautos: «Ihren Fahrausweis, bitte!»
Zwei Tage später hebelte Elsie wieder den Fahrersitz für sich in Position.
Drei Monate lang redete ihr jetzt keiner mehr drein. Zufrieden fuhr sie los.
«Elsie? du hast den Blinker an!»
«HABE I C H DEN AUSWEIS ODER D U?»

Montag, 2. Dezember 2013