Eigentlich fühlte er sich ganz wohl.
Nun ja? da war manchmal dieses bleierne «Es geht gar nichts mehr»-Gefühl. Besonders wenn Paul den Rasen mähen sollte. Oder wenn Nelly aus dem Badezimmer das Wort zum Tag durchgab: «Der Mistkübelsack muss noch runter!»
IN SOLCHEN MOMENTEN FÜHLTE ER SICH SCHLAFF. AUSGELAUGT. 120 JAHRE ALT!
«Du solltest mal zum Arzt», quengelte Nelly, wenn sie den Müll schliesslich selber vor das Haus schleppte. Und dann den Elektromäher anwarf. «?du bist noch keine 55. Und bereits eine schlappe Pflaume!»
«Ich habe Kreuzschmerzen», stöhnte Paul. Und beugte so weiteren Tagesbefehlen wie «Man muss im Keller die Glühbirne auswechseln» vor.
So kam es, dass Nelly nicht mehr lange fackelte. Und Doktor Hämmerli anrief: «Der welkt mir ab? untersuchen Sie mal alles ganz genau. ABER WIRKLICH ALLES.»
Doktor Hämmerli wusste, was unter «ALLES» gemeint war. Und bestellte Paul in die Praxis. «Nur ein Momentchen?», strahlte ihn die Empfangsdame an. Paul hatte auf ihr Schildchen gelinst. Sie sah verdammt gut aus. Blond. Drall. Und mit einem Familiennamen, den er auf dem beschilderten Busen ohne Brille nicht richtig entziffern konnte. Immerhin? der Name endete auf «witsch». So viel hatte er gerade noch mitbekommen.
Frau «?witsch» führte ihn also ins Wartezimmer. Sie tauchte eine Minute später mit flackerndem Augenaufschlag wieder auf. In der Hand schwenkte sie ein Kunststoffbecherchen: «Dort ist die Türe. Lassen Sie sich Zeit. Und bringen Sie mir den Becher gefüllt zurück.»
Sie entliess ihn in Richtung Toilette. Ihr Po wackelte in der satten Schürze wie zwei Melonen auf einem Bauernkarren.
Paul war scharlachrot angelaufen. Solche Toilettensachen waren ihm höchst peinlich. Selbst wenn Nelly während der Autofahrt posaunte: «Ich muss mal Pipi», war er stets unangenehm berührt. Und bog wortlos bei der nächsten Raststätte ein.
Nun stand er in dem Badezimmer. Klappte den Toilettendeckel hoch. Und wartete mit dem Becher in der Hand, dass sich da etwas täte.
ES TAT SICH NICHTS. ES WAR WIE VERHEXT!
Zu Hause musste er i m m e r. Besonders nachts. Von Durchpennen war längst keine Rede mehr.
UND HIER NUN K E I N TROPFEN!
Ratlos stand Paul mit dem offenen Hosenstall und dem leeren Becherchen vor der Schüssel. Fünf Minuten später ging er zum Empfang. Und deponierte dort das trockene Resultat:
«Es ging leider nicht?»
Frau «?witsch» lachte herzlich auf: «Das ist nicht schlimm. Das passiert immer wieder. Eine verpasste, verpisste Gelegenheit sozusagen?»
Paul war rot wie eine Tomate.
«Hallo, hallo», schwirrte nun Doktor Hämmerli ganz in Weiss herein.
«Herr Paul konnte leider nicht?», kicherte die «?witsch» so laut, so dass zwei andere Patienten interessiert herüberäugten. «Ich mache ihm jetzt einen Kaffee. Das hilft immer?»
«Ich kontrolliere inzwischen die Prostata», sagte der Arzt und wandte sich Paul zu. Und schwenkte schelmisch den Zeigefinger.
Dies war der Moment, als der Patient panikartig die Praxis verliess.
Zu Hause hat Paul den Abfall runtergetragen.
Den Rasenmäher angeworfen.
Und die Glühbirne im Keller sowie den Arzt gewechselt.
Arztbesuch
Montag, 19. August 2013