Altern

Weiss der Teufel, wie die andern das machen. DIE HABEN SATTE KNACKÄRSCHE. HOSENGRÖSSE 36.
UND IHRE GESICHTER SIND SO GLATT WIE FRISCH GESCHLÜPFTER PUDDING.
Dabei haben sie alle meinen Jahrgang. Na ja, vielleicht zwei Jährchen mehr oder weniger.
Aber als da kürzlich Elton John, diese wunderbare Diva mit der Behendigkeit eines Rhesusäffchens vom Flügel hopste (und die Beste ist ja auch nicht mehr ganz so taufrisch), als da diese Finger, die beweisen, dass Klavierspielerhände auch anders aussehen können, über die Tasten wuselten, und das Publikum nach vorne eierte, um im Takt der Schmetterphones mitzuwehen - da bin ich frustriert vor meinem Henniez hocken geblieben, habe neidvoll auf die hopsenden Dolce-Gabbana-Höschen und wippenden Vuitton-Rucksäckchen geschaut und gedacht: UND DAFÜR HAST DU EIN LEBEN LANG NUR MINERALWASSER GETRUNKEN.
Nein.
Ich bringe das mit der ewigen Jugendlichkeit einfach nicht. Und mit dem Spruch «Man ist so alt, wie man sich fühlt» kann ich schon gar nichts anfangen - denn ich bin bald 60 und fühle mich in solchen Momenten wie 100.
«Das ist doch der Sound unserer Generation», überschreit Hildegard, meine hipp-poppige Begleitfrau sämtliche Phones. Sie hat einen dritten Whisky vor und das fünfte Nur-ein-bisschen-Kinn-und-Augen-Lifting hinter sich.
Als sie damals aus der Klinik kam, sah sie aus wie eine Pellkartoffel im Auskühlungszustand - nun kenne ich sie kaum wieder: Ein Kindergesichtchen mit den greisen Augen eines Rumpelstilzchens und dem Lächeln, das immer ein bisschen an gefrorene Teiche erinnert.
«Hock nicht so schlaff rum...», wackelt Hildegard ihre Pucci-Kiste hin und her und lässt die Hermes-Schnalle funkeln. «Beweg den Hintern... beweise deine Jugendlichkeit... und zeig all diesen Poppers, was in uns steckt!»
ACH - ES STECKT SCHON LANGE NICHTS MEHR!
Das dumme Hildchen! Noch allzugut kann ich mich an jene Jahre erinnern, als sich die affige Göre mit Zigoria-Papier die Backen rot geschminkt und den Busen mit Omis Restwolle aufgepulvert hat, nur um sich Humphrey Bogart schon als 13-Jährige im Kino reinziehen zu können.
Heute also: Das messerscharfe Gegenteil mit Schraubstock und unendlich vielen Drehungen. Ich weiss nicht, weshalb ältere Menschen diesem Ich-bleibe-für-immer-und-ewig-jung-Psalm nachjagen. Schon Rentner-Radler-Raser bringen mich auf die Palme - ich finde ihren Anblick in den kondomengen Dresses unserer heutigen Zeit mindestens ebenso unwürdig wie die Ziermaus in dem ewig drehenden Rad. Langmähnenmänner über 30 waren mir eh ein Gräuel - nicht jeder kann Nana Mouskouri sein. Und wenn ich an all diese Fitness-Omi-Barbies denke, die sich da ihre Knochen verrenken und jede geschlemmte Kalorie strenger bestrafen als der Papst die Sünder und Heidenkindlein, so denke ich mir immer: WOZU DAS ALLES?
Eine alte Schachtel bleibt eine alte Schachtel - und das Verfall-Data beibt keiner Büchse erspart. Das Alter hat so nette Eigenschaften: Du bekommst AHV und kannst jetzt frohen Herzens deinen Enkeln all das durchlassen, was du deinen Kindern immer verboten hast...
Überdies darf man im Tram gemütlich sitzen beiben, wenn so eine Vuitton-Barbie die Szene betritt.
Und bei Elton John auch.

Montag, 27. November 2006