Alles wird gut

Es war nicht die Päckli-Weihnacht von früher.
Dafür hat dieser Herr Horde in der Börsensendung mit seinen täglichen Hiobsbotschaften gesorgt. Wenns nach ihm ginge, wäre die Welt schon gestern untergegangen. Leider hat Herr Innocent auf Herrn Horde gehört.
Er hat allerdings auch auf ihn gehört, als jener das hohe Lied der Aktien sang. Diese televisionärischen Börsenmenschen sind mir so sympathisch wie die Meteogeister. Sie reden viel. Bringen wenig. Und am Schluss stehen wir alle im Regen da.
Mir brachte Herr Horde und seine Börsenhorderei gar nichts. Denn das Päckchen mit der Uhr war nicht dabei. Und Schuld hat? wie an allem Bösen dieser Welt? zuerst Amerika. Dann die Börse. Und eben: Herr Horde mit seinen trüben Prognosen.
«Wir müssen jetzt sparen», sagte Innocent, als er mir das Weihnachtspaket mit dem ungefüllten Lebkuchen drin überreichte. «Es ist die Geste, die zählt...»
Ein ungefüllter Lebkuchen ist keine Geste. Es gab schliesslich eine Zeit in den letzten 40 Jahren, wo er mir die Uhr mit dem Krönchen wirklich hätte kaufen können. Doch damals meinte er: «Wir müssen auf das Alter hin vorsorgen. Ich bin kein Staatsangestellter mit abgesicherter Pensionsberechtigung und einer Grossratslobby, die nur aus ihresgleichen zusammengesetzt ist... Ich muss an unsere Zukunft denken...»
Er investierte in Aktien. Denn Herr Horde war ganz dafür. Nun sind die Aktien im Keller? und die Hoffnung, in diesem Leben nochmals zu dieser Krönchen-Uhr zu kommen, auch.
«Denke an all die Milliarden Menschen, die auch nichts haben», tätschelte Innocent tröstend meine Hand.
Danke.
Wenn ich an all die verspekulierten Billiarden dieser Welt denke, hätte das Geld vermutlich auch für die Ärmsten der Armen gereicht, um jedem ein Ührchen zu kaufen.
Nun habe ich zum Frust auch noch den Ärger des Neuarmen. So wie es einst die Neureichen gab, von denen Innocents Mutter stets mit leisem Rückenschaudern als «Halbseide» sprach, gibt es jetzt die Neuarmen. Die liebe Schwiegermama ist im Nirwana und hat keinen Namen mehr dafür. Aber «Lebkuchen-Schenker» könnte da schon hinhauen.
Nun? wir wollen hier nicht klagen, Leute! Wir wollen die Zukunft mit frischem Mut und guten Wünschen angehen.
Einer dieser Wünsche wäre das, was ich schon immer gepredigt habe: «Legt das Geld schön an!» Es gibt so viele wunderbare Kaschmirpullis, Seidenhemden und diese Mäntel von Burberry? DAS IST WIRKLICH GUT ANGELEGT! Und elegant angezogen.
Kommt dazu, dass diese Werte überdauern, insofern nicht gerade die Mottenplage ausbricht.
DIESE ANLEGETAKTIK HABE ICH SCHON IMMER PROPAGIERT. Keine Sau hörte darauf. Nein. Das Motto «der tuts schon noch» galt für den Wollmantel mit der ätzenden Kratzbürstigkeit einer Tante Finni. Statt bei Herrn André etwas Geschmeidiges und im Goldgeschäft hochkarätiges Geschmeide zu kaufen, wurde das Geld in ein Stück Papier investiert. EIN PAPIER, DAS NUR IRGENDWO AUF EINEM BILDSCHIRM, BEI HERRN HORDE UND IN DEN KÖPFEN DER BANKENWELT EXISTIERTE.
Na? tragen Sie mal so einen virtuellen Fetzen. Muss sich ja keiner wundern, dass die Anleger nun mit abgesägten Hosen dastehen. SELBER SCHULD!
Mein Pullover von Herrn Armani war da eine bessere Anlage. Und Anlege.
«Vielleicht ist es ja auch eine Chance», meint meine Freundin Evchen, «ich meine? die Wirtschaft war doch überheizt. Und irgendwann musste ja der Zusammenbruch kommen. Nun hocken doch Arm und Reich im selben Boot...»
Evchen hat ihre Werte stets in einem Gospelchor als Altistin gesucht. Und ihre Ansichten holt sie aus dieser Tageszeitung mit den roten Schlagzeilen.
«Wir hätten statt das hohe Lied des Sparens auch Gospel singen sollen», machte ich Innocent am Weihnachtsabend Vorwürfe. Und kippte den Lebkuchen in den Korb «Geschenke zum Weitergeben».
Innocent seufzte: «Du wirst es nie kapieren!» Dann holte er eine Flasche Amarone. Und den Zapfenzieher.
«Ich glaube, die heben wir uns auf bessere Zeiten auf...», fauchte ich.
Da war der Zapfen aber schon ab. Innocent schnüffelte daran: «Wunderbar. Dafür reichts immer mal wieder...»
Es hat keinen Sinn, gute Vorsätze zu fassen. Die Welt macht mit einem eh, was sie will. Und die Menschen darin auch. Das ist ähnlich wie bei Wahlen: grosse Sprüche? und kein Schwein hält sich später daran!
Dennoch: Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben. Und frohen Mutes ins neue Jahr walzern. ALLES WIRD GUT? das hat schon jenes optimistische Wonneweib Ruge stets im Fernsehen prophezeit.
Nun, so etwas hätte ich auch gerne mal von Herrn Horde in seiner Börsensendung gehört...

Montag, 29. Dezember 2008