Adventsgespräch

Innocent schnorchelt meine Anisbrote rein wie die Sau die Suppe.
DA VERGEHT DIR DIE LUST AUF EINEN SCHÖNEN ERST-ADVENT-KAFFEEPLAUSCH SO HURTIG WIE DIE FREUDE AN EINEM MONDFLUG, WENN DAS TRINKWASSER AUS SCHWEISS UND URIN GEWONNEN WIRD!
Was ich aber sagen wollte: Da knetet man sich stundenlang über den Tisch. Sticht Möndchen (weil einer ja immer in den Mond guckt), Fische (als Symbol des Glaubens) und Herzchen (DIE LIEBE!) aus. DANN AB IN DEN OFEN. Und jetzt alles schön aufs Tellerchen geschichtet.
Vis-à-vis aber raschelt die Zeitung. Und SEIN Interesse gilt dem Politischen? und nicht meinen Anisbroten, die in dieser unsichern Zeit wenigstens Hände und Füsse haben. Na ja? sicher FÜSSE.
«Also dieser Blocher ist doch ein Zwänggrind...»
«Schmecken dir die Gutzi?»
Meine Gutzi sind keinen süssen Kommentar wert. Die Bundesratswahl aber schon.
«... der sieht sich doch als Messias des Guten. Und redet immer von seinem Pflichtbewusstsein. Er sollte mal die anderen ans Bewusstsein ranlassen...»
Langsam tappt sich Innocents Hand unter der Zeitung zum Tellerchen hervor. Und schnappt sich das letzte Anisbrot.
SO VIEL ZUM THEMA: DIE ANDEREN MAL RANLASSEN. ICH HATTE EINES. ER 14!
Naja? ist ja erfreulich, wenn es ihm schmeckt. Aber weshalb kann er nie loben? Immer nur meckern. Stets in Oppositionsstellung. Da ist er Blocher nicht unähnlich.
«Sind gut gelungen, dieses Jahr...», versuche ich Herrn Blocher nun thematisch vom Tisch zu fegen. Und stelle nochmals ein Tellerchen mit den schön Ausgestochenen hin.
Sie wurden übrigens mit Tonmodel gefertigt: Blümchen ranken ums Anisbrot-Herz? der Fisch hat richtige Schuppen. Und der Mond gar eine Nase. Ich bin stolz, dass sie so ein schönes Profil haben. Da habens die Anisbrote nämlich genau so schwer, wie unsere Politiker: man zwingt sie auch in eine Schablone. Und das Profil kommt dann oft etwas angekratzt raus...
Allerdings ist Profil gar nicht gefragt. Sie könnten so aalglatt sein wie die Aktions-Dinger aus dem Supercenter. Innocent ist da nicht wählerisch.
«... ich habe mir dieses Jahr besonders Mühe gegeben», sülze ich zur Zeitung.
Dahinter kauts. Schnalzts. Schluckts.
Ich muss an meine Mutter (Gott hab sie selig) denken, der auch immer der Kiosk aufging, wenn mein Vater ihre zwölf Sorten Weihnachtsgebäck mir nichts dir nichts weghooverte. «Iss sie nicht wie Brot!», hat sie sich jeweils grün genervt, «weisst du, wie viel Arbeit dahintersteckt?»
Mein Vater mit dem Gemüt einer Waschtrommel hat dann die Schultern gezuckt: «Weshalb kaufst du sie nicht beim Bäcker?»
DANN WAR DIE MAMMA ABER GANZ OBEN AN DER DECKE!
Herrn Blocher kann man thematisch nicht vom Tisch fegen. Er ist immer noch hier. Innocent legt die Zeitung hin: «In diesen Zeiten der wirtschaftlichen Krise müssten doch alle zusammenhalten... die Parteien... die Medien... die ganze Welt. JA HATS KEINE ANISBROTE MEHR?»
Schon wieder 14 weg? 13 durch IHN.
«Weisst du eigentlich, wie viel Arbeit dahintersteckt?»? werde ich nun zu meiner Mutter, «du schaufelst sie rein wie Brot und...» (wenn er jetzt den mit dem Bäcker bringt, wird die friedliche erste Adventswoche zum Schlachtfeld!)
Aber nein. Er schaut mich nur strafend an: «Die hast du ja nicht selber gemacht...»
JA HERRGOTT NOCHMAL! Wie Blocher traut er den anderen nichts zu. Und wie will er überhaupt wissen, dass ich sie nicht höchstpersönlich durchgeknetet habe?
«Du weisst, dass ich nie Gutzi auswärts kaufen würde...», senke ich bescheiden die Augen.
«IM ADVENT LÜGT MAN NICHT!», grinst Innocent nun, «das kannst du den Politikern überlassen.»
Ok. Ich gebe mich geschlagen. Bäcker Krebs hat sie für mich geknetet. Outsourcing? so nennt man das wohl. ABER DAS MUSS MAN JA NICHT RUMERZÄHLEN.
«... und woher willst du wissen, dass sie gekauft sind?» frage ich spitz.
«SIE HABEN ZUM ERSTEN MAL KEINE KRUMMEN FÜSSE!»
Ich wechsle hurtig das Thema: «Bin mal gespannt, wen die da in Bern wählen werden...»

Montag, 1. Dezember 2008