Der Bettler mit Zigarre

Der Bettler schlurbte an den Tisch.

Verfilztes Haar. Aufgerissene Hosen. Schwarze Füsse, die in zerfledderten Badeschlappen ­steckten.

In den Händen hielt er einen von den Römer Abgasen angegrauten Kartonbecher. Im Becher lagen ein paar Münzen aus den Euroländern, 5 US-Cents und ein 20-Räppler aus der Schweiz.

Ein internationales Währungstreffen also.

Der Alte klimperte nun auffordernd vor Marthas spitzer Nase mit dem Sammelbecher herum.

Erschienen am: 
Montag, 26. Oktober 2015

Von dem Transport der lädierten Liesel und Arsen

Illustration: Rebekka Heeb

«Y muass mei Haxen hoch­laagern…», jammert Liesel.

Sie nervt, seit sie in Pisa den Boden geküsst hat.

RIESENTHEATER. STURZ. Aber nicht mal eine erfreuliche Schürfwunde.

Andere Menschen setzen sich arger Pein aus, um am Arm einen miesen Halloween-Kopf oder ein Herzchen tätowieren zu lassen.

KEINER PIEPST.

DAS SIND DIE WAHREN HELDEN DIESER ERDE.

Liesel läuft hier wegen ein bisschen Wehweh total aus dem Ruder. Was kümmert uns der Sturz dieser Secondhand-Sissi?

Erschienen am: 
Dienstag, 20. Oktober 2015

Nudeln an Salm

«Himmel – nicht mal Mayonnaise kannst du!» – Herbert schaute angeekelt auf Undefinierbares: gelbe Flocken in Öl.

Ulla seufzte betrübt – so wie sie auch streunenden Hunden nachseufzte.

Sie war eine sensible Seele. Kochen gehörte jedoch nicht zu ihrer sensiblen Seite.

Vor 15 Jahren schon. Da hatte sie Herbert mit «Nudeln an Salm» den Kopf verdreht.

Erschienen am: 
Montag, 19. Oktober 2015

Flughafen-Impressionen

Liz schaute zur Ankunftstafel.

«45 Minuten Verspätung – ist ja klar!»

ALEX WAR IMMER ZU SPÄT!

Sie ging brummelnd zur Café-Bar an der Ecke.

Liz wartete auch dort.

Eine Schlange von philippinischen Nonnen ­blockierte die Kasse. Die Frauen hatten nur ­Dollar. Und die Kassiererin null Geduld.

Endlich wurden die Ordensschwestern von einem aufgeregt herbeieilenden Mönch erlöst. Liz stierte auf seine Füsse.

Sie steckten sockenlos in Kneipsandalen. «Ein ­Barfüsser», dachte Liz.

Erschienen am: 
Montag, 12. Oktober 2015

Rolf Wirth: «Ich sage immer, was ich denke»

«Wir essen auf der Terrasse – einver­standen?»

Mehr als okay.

Denn die Terrasse gilt als die schönste in Rom.

Es ist ein Paradiesgarten hoch im Himmel des «Victoria» – nur armweit von der Aurelianischen Mauer entfernt.

Vom Pincio her weht der Ponentino, die römische Brise. Und unter den keuschweissen Rosen, üppigen Bougainvilleen in der Farbe von violetten Kardinalsroben vergisst jeder die Hektik, welche Rom zum Chaos macht.

Erschienen am: 
Samstag, 10. Oktober 2015

Von Desserts und was daran so schlimm sein soll

Illustration: Rebekka Heeb

Dessert ist Teufels­zeug.

Also weglassen.

Und Nachspeisen kreieren, bei denen jedem die Tränen kommen. BITTERE TRÄNEN.

Wer in einem Nobel-­Restaurant ein Dessert bestellt, wird mit einem schwungvoll hingeworfenen Strich aus Beerensauce konfrontiert. Es könnte auch das mysteriöse Warnsignal einer andern Galaxis sein: «SCHLEMMEN TÖTET!»

Auf der Sauce irren drei geviertelte Stück ­Erdbeeren umher.

Erschienen am: 
Dienstag, 6. Oktober 2015

Rote Schuhe

Er liebte Schuhe. Frauenschuhe.

Das Wichtigste: Sie mussten rot sein. Mohn­blumenrot.

Das prägende Erlebnis hatte ein Seelenklempner auf die Kindergarten-Zeit datiert.

Alle mussten da Finken mitbringen. Als Bruno diejenigen von Dora sah, verschlug es ihm den Atem.

Es waren samtene Pantöffelchen in der Farbe von lodernden Flammen.

BRUNO SCHAUTE ENTSETZT AUF SEIN EIGENES SCHUHWERK: MANCHESTER-SCHLURBEN IN DER VERSCHISSENEN FARBE FRISCH GESETZTER HUNDEKEGEL.

Erschienen am: 
Montag, 5. Oktober 2015

Von einer vermissten Kartoffelpresse und Schlutzkrapfen

Illustration: Rebekka Heeb

«Wo ist sie?» – Innocent wühlt sich wie ein Maulwurf durch unser Gepäck.

WENN ICH GEPÄCK SAGE, HÄTTE AUCH DAS WORT «SCHUTT» DEN PUNKT GETROFFEN.

Unser Kleinstwagen war vollgemüllt mit all dem Mist, den einer auf die Reise einpackt. Und nie braucht. KENNEN WIR DOCH!

Am Ende bleiben immer zehn unbenutzte Hemden übrig. Sie sind schön zusammengefaltet. ­Werden in den Hotels herausgenommem. Im Schrank versorgt. Wieder in den Koffer gepackt. UND SPÄTESTENS JETZT KOMMT DER SCHWUR: «Nächstes Mal nur das Nötigste…»

Erschienen am: 
Dienstag, 29. September 2015

Die Reiseführerin

Lore wartete.

Ihr Leben bestand nur aus Warten.

Sie hatte auf die grosse Liebe gewartet.

Dann auf ein Kind.

Und immer wieder wartete sie bei den ARRIVI des Römer Flughafens Fiumincino auf den Swiss-Flug von Zürich.

Lores Finger hielten einen Karton: «LIMMAT ­TOURIST».

Seit bald 30 Jahren holte sie für den Reiseunternehmer Touristengruppen ab.

Erschienen am: 
Montag, 28. September 2015

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