FUZZIZEUGS!

Bei Rolex schaltete Otto auf stur.
Auf ihren 10. Hochzeitstag hin hatte Irmi erstmals diesen Wunsch angetönt: «Audrey Hepburn trägt auch eine...»
Die Hepburn war Otto scheissegal. Er nannte das alles «FUZZIZEUGS». Und: «Diese Labels blättern Milliarden für die Werbung hin. Der Kunde zahlts. Und ist der Dumme. Alles nur wegen eines modischen Labelfurzes...»
Dann hatte er ihr eine Damenuhr aus dem Waldenburgertal geschenkt. Irmi war sich sicher, dass so etwas nie an Hepburns Handgelenk getickt hätte...
Der Wunsch stieg immer wieder hoch... wie das Bäuerchen nach zu viel Speck auf Bohnen.
«FUZZIZEUGS!», knurrte Otto. Und schenkte nun Swatch.
Eines Tages rief sie ihre Freundin Rosie an: «Du fliegst doch nach London... also dort verkaufen diese Schwarzen an jeder Strassenecke Rolex-Fälschungen...»
«OH GOTT», hauchte Rosie.
«Ja. Du besorgst mir so eine. Und wenn sie dich am Zoll schnappen, bezahle ich die Strafe. Aber der Versuch ist es wert...»
«OH GOTT!»? das war wieder Rosie.
Die Imitation kostete 25 Pfund. Na ja? 50-mal weniger als das Original. Aber die Falsche tickte nicht weniger richtig.
Rosie brachte die Fälschung mit einem Kopfschütteln ihrer Freundin: «Du trägst also so ein mieses Ding in Erinnerung an die Hepburn, und nur, weil jetzt auch der Clooney so tickt... JA SCHÄMST DU DICH DENN NICHT?!»
«Nein», lächelte Irmi.
«Was nein?»
Irmi strahlte: «Nein. Ich habe mir das Original gekauft. ZEHN JAHRE HABE ICH DAFÜR GERACKERT. Otto würde durchdrehen. Er weiss ja, was das FUZZIZEUGS kostet. Bei einer Imitation schwächt das die Reaktion etwas ab. Nach vier Tagen entsorge ich die falsche Rolex in der Metallabfuhr. Und trage die echte. Das merkt er nie...»
Es war dann ihr 60. Geburtstag, als Otto ihr feierlich den Kaffee ans Bett brachte: «Alles, alles Liebe... mein kleines Tickerchen».
Otto nannte sie seit dem Kauf der Imitations-Rolex «die Frau mit dem Tick». Deshalb «Tickerchen». Irmi atmete tief durch. Sie war unglücklich. Tief unglücklich. Seit einer Woche vermisste sie ihre Uhr. Sie hätte schwören können, dass sie diese wie jeden Abend beim Abschminken aufs Nachttischen gelegt hatte? jetzt war sie einfach weg...
«Ich habe ein Geburtstagsgeschenk für dich!», riss ihr Gatte sie aus dem grauen Tief. Und händigte ihr ein Päckchen aus. Klein. Mit Goldschleife. (Wir wissen: die Kleinen sind die besten!)
Als sie die Rolex auspackte, heulte sie los wie der Engstligenfall. Otto tätschelte ihre Schulter. «Schon recht... schon recht... Ich konnte einfach nicht mehr mitansehen, wie du mit so einer miesen Imitation herumläufst. Als du schliefst, habe ich sie gemuckt. Und zu Deinem 60. Geburtstag eine richtige gekauft...»
«Wo ist die andere?», japste Irmi.
«Ach, die habe ich gestern der Metallabfuhr mitgegeben...»

P. S. Als Üzmar auf seiner Arbeitstour das Päckchen entdeckte, schnappte er sich die Rolex. Und brachte sie Fatima nach Hause. Diese schimpfte ihn tüchtig aus, weil die Uhr nicht goldig glänzte und auch keine glitzernden Steinchen hatte. Später hat sie das Stück in der Brockenstube gegen ein zwölfteiliges Teeglasservice mit Goldstaubrand eingetauscht.
Üzmar sah sich den Gräuel an und tobte: «... isch e doch Fuzzizüügs».
WEISS DER TEUFEL, WO ER DAS WORT HER HATTE.

Montag, 12. Dezember 2011