Der Fetisch

Seine Frau wusste nichts. Niemand ahnte etwas.Er war der absolute Machotyp. Und die Weiber flogen auf ihn wie die Fliegen auf die Kuhscheisse.

JAWOHL, SCHEISSE!

Denn er machte sich nicht sonderlich viel aus dem Weiberauflauf. Aber er spielte mit. Mimte den Taschenformat-Clooney. Und war nichts anderes als ein Clown.

Als Teenager schon hatte ihn sein starker Haarwuchs gestört. Vererbt. Von seinem Vater – ein bärenstarker Affentyp.

Manchmal stand Frank vor dem Schlafzimmerspiegel. Hielt sich das Babydoll seiner Mutter an die Brust. Und träumte von einem Busen wie bei Marilyn, dem Superstar.

Aber eben: statt Monroe-Möpse ein Babydoll, aus dem Affenhaare quollen – kein Wunder dass der Bub melancholisch wurde.

Er sah gut aus – aber nicht so, wie er wollte. Trotzdem konnte er seiner Umwelt nicht sagen, dass er zu Hause, wenn die Alten weg waren, in den Dessous der Mutter herumlief.

Gottlob gabs die Fasnacht. Da wunderte sich keiner, wenn der bärtige Tambour im rauschenden Taftrock aufkreuzte. Und endlich – dank kunstvoller Gummieinsätze – seinen Traumbusen trug. Frank schwieg sich über seinen Fetisch aus. Er heiratete Lilo. Freute sich, wenn diese ihren «Weiber-Abend» hatte. Und er ihr an die Wäsche konnte.

OKAY – AUCH DAS WAR EIN SCHLAG INS ­WASSER.

Denn Lilo war eher der Hosentyp. Und ­flundernflach. Sie trug keine Büstenhalter. Nur T-Shirts mit Aufschriften wie «FRAUENPOWER». Oder auch heftiger: «DIE FRAU IST DER MANN!»

Immerhin – Lilo war ein guter Kumpel. Und kochte passabel.

MAN(N) KONNTE NICHT ALLES HABEN.

Über Internet bestellte er sich dann heisse ­Dessous. Manchmal erlaubte er sich einen Lady­slip-Trip ins Büro.

Frank hängte dort den dominanten Chef raus. Er flirtete mit den Sekretärinnen – und machte die Prokuristen zur Sau. Dies im makellosen Armani-Anzug. Mit Spitzenhöschen darunter.

An der Fasnacht blühte er auf: jedes Jahr ein neues Kostüm.

JETZT WAR ER FRAU.

Er puderte sich schon mal über den Bart. Und die Kollegen lachten Tänen: «Zum Piepen … du bist die geborene Tanten-Tunte!»

Er spreizte den kleinen Finger. Und äffte sich selber nach.

Zwei-, dreimal erwog er den Besuch bei einem Psychiater. Doch was brachte das? Frank war nicht unglücklich. Er liebte seine Kinder, liebte Lilo. Und hatte sexuell mit Männern nichts am Hut. Eigentlich war er ganz normal. Er pflegte vielleicht einen eigenartigen Fetisch – aber seit diese Hochglanzillustrierte vier Seiten über ­Männer in Frauendessous gebracht hatte, wusste er, dass er und sein Fetisch nicht ganz so speziell waren, wie er immer geglaubt hatte.

Für diese Fasnacht hatte er sich eine «alte Tante» in Auberginetönen schneidern lassen – Aubergine stand ihm.

Er kaufte den passenden Lippenstift in Fuchsia dazu. Und die Spitzengarnitur heisser Dessous leuchtete in einem Kardinalrot.

Als Lilo ihn so vor dem Spiegel überraschte, lachte sie schallend: «DAS IST JA HEISS! ­Eigentlich müsstest du damit den Cortège ­aufmischen…»

Lilo war wirklich ein guter Kumpel.

Natürlich wird es eine wunderbare Fasnacht werden: Aubergine, Fuchsia – dazu das Kardinalrot darunter.

72 Stunden würde er sich selber sein – dann aber wirds wie bei Aschenputtel und dem Zwölf-­Uhr-Schlag: AUS! UND CAFARD.

Das bleierne Grau des verlogenen Alltags würde die nächsten 8688 Stunden sein Aubergine überdecken.

Aubergine und Fuchsia.

Montag, 15. Februar 2016