Von monogamen Aras und Mamatis

Also, landschaftlich ist Honduras ja vom Feinsten: Hügel mit Palmen. Dazwischen die gurgelnden Bächlein. Und immer wieder diese Paradiesvögel, die an «Glanz & Gloria» erinnern.
Allerdings bunter. Und mit doppeltem IQ.
«Ich bringe euch in das Tal der verlorenen Vögel», tut Herr Meier beim Frühstück geheimnisvoll.
Bei Vögeln bin ich immer dabei. Doch Innocent macht auf launisch: «KOSTET DAS EXTRAEINTRITT?»
Herr Meier hat sich in den 20 Jahren, die er bei den Mayas lebt, die sanfte Ruhe der Vulkanseen antrainiert: «MAN DARF EINEN UNKOSTENBEITRAG AN DIE ARMEN GEFIEDERTEN STIFTEN.»
Also, das mit den Vögeln ist so: Wenn ein Honduraner einen findet, der da krank und schlaff am Ast hängt, schleppt er ihn in den Dschungel von Macaw. Hier haben gütige Hände Käfige gebaut. Und päppeln die Zwitscherfreunde auf. So ist der Dschungel ein riesiges Sammelsurium an Volieren. Und Volontären, welche die Volieren unterhalten sowie den Vögeln gütig zureden.
Zwischen den Volieren hats Palmen à gogo, ein rauschender, kristallklarer Fluss, in dem die Einheimischen mit ihren Kindern rumtauchen? und Papageien. Viele Papageien. Es sind Aras.
Und Herr Meier erklärt uns, dass diese Vögel bis zu 80 Jahre alt und monogam leben würden.
MONOGAM. Ja, wisst ihr, was das heisst?!
DERSELBE PARTNER EIN LANGES VOGELLEBEN LANG! Also, diese Papageien müssen eine Erfindung des Papstes sein.
So ganz monogam gehts dann doch nicht. Jedenfalls scheint Innocent einen unglaublichen Reiz auf die Farbenfrohen auszuüben. Vielleicht sind es auch die Pastillen von Ricola, die er an sie verfüttert.
Jedenfalls sieht unser Freund bald einmal aus wie Papageno in einer schrillen Zauberflöten-Inszenierung? doch der Zauber ist bald aus. Denn die Ricola sind alle, und nun hacken die Vögel enttäuscht und leicht erbost auf Innocents frohgemustertes Garn-Gilet ein. ICH BRAUCHE HIER NICHT ZU ERWÄHNEN, DASS DIESES GILET VON MISSONI UND EIN WEIHNACHTSGESCHENK SEINES TEUREN FREUNDES WAR!
Nun ist es nur noch Sack und Loch. Die Fäden haben sich aufgelöst. Und die Vögel sind sauer, dass MISSONI nicht RICOLA-artig schmeckt. Sie fühlen sich beschissen. Und das tut Innocent ebenfalls, weil die geflügelten Herrschaften sich mit? Pfffft!Pfffft!? einem Feuerwerk an Weissgräulichem über ihn verabschieden.
NUN BADET HERR INNOCENT MIT DEN HONDURANISCHEN KINDERN IM FLÜSSCHEN.
In der beliebten Rubrik «Meine schönste Feriengeschichte» würde diese Story so enden: WIR HABEN SELTEN SO GELACHT.
Auf dem Markt von Copan haben wir dann nach einem neuen Gilet für Innocent gesucht. Umsonst.
Es gab nur Army-Jacken. Die trägt er nicht. Und selbst wenn er sie getragen hätte, gabs nichts in der 58er-Grösse eines anständigen Mannsbildes.
Wir trösteten uns dann an dem farbenfrohen Angebot von Gemüsen und Früchten: weisse und grüne Güisquil, die man mit Käse gefüllt auf dem Feuer grilliert. Avocados werden schon fast schwarz feilgeboten. Ihr Fruchtfleisch wird mit fein gewürfelten Tomaten, Peperoni, Gurken und frischem Koreander vermischt. Das nennen sie Guacamole. Und an allen Ecken locken Fruchtständlein, die orangefarbige Papaya-Würfel und saftige Mangos, Wassermelonen, süss wie Honig und Bananen vom Strunk anbieten. Das Schönste: handgedrehte Zigarren zu fünf Rappen das Stück.
JA HALLO, HERR DAVIDOFF? DA SOLLTE DIE KONSUMENTENTANTE MIT IHNEN MAL EIN WÖRTCHEN REDEN! Allerdings? die Zigarren, die durch das Klima so feucht sind wie Baby-Windeln, dürfen nicht geraucht werden. DENN RAUCHVERBOT RUNDUM!
Am Abend übernachten wir dann in Gracias Lempira. Das Nette an Gracias Lempira ist die Vergangenheit. Einst wars die bedeutendste Stadt und hat dem Geld des Landes den Namen gegeben. Nun sinds noch ein paar Häuserzeilen.
Und die uralte Merced-Kirche, die verlassen am Orteingang steht. Wunderbare Steinreliefs und -figuren erinnern an eine prächtige Vergangenheit.
Und Herr Meier erzählt uns, dass der Sigrist dieser Kirche dem Spielteufel verfallen gewesen sei. Na ja? auch ein paar Jahrhunderte her. Aber die Zeit hat uns gelehrt, dass selbst heute noch die grossen Tiere von barmherzigen Organisationen nicht dagegen gefeit sind...
Machen wirs kurz: Die Frau des Bürgermeisters war ebenfalls eine Zockerin. Und soll dem armen Priester mit Falschspiel die Kirche abgeluchst haben. Daraufhin haben alle Priester die Stadt mit einem Fluch verlassen. Von diesem Moment an solls mit Gracias Lempira bergab gegangen sein. «La Zeifa wird euch entschädigen», jubelt Herr Meier, die Frohnatur. Er führt uns an den Fuss des Pico Bonito. Fast noch in der Nacht brechen wir zur Safari auf. Der Fahrer bringt uns ins Niemandsland, wo ein verrostetes Geleise zwischen hohen Gräsern und blühendem Riesenmohn wartet. Die Eisenbahn wird mit Benzin betrieben und ähnelt einem alten Basler Trämli. So tuckert der Zug 40 Minuten an winkenden Kindern und weidenden Kühen vorbei zu den Flussarmen des Cuero und des Salado, die hier in die Karibik fliessen.
«Wenn wir Glück haben, sehen wir auf der Bootstour Mamatis», macht uns Meier heiss, und er weiss: «Das sind Seekühe. Sie sind 600 Kilo schwer. Friedlich. Verspielt. Und verschmust? aber wie schon die Aras: total monogam! Sie gründen Familien mit vielen Mamati-Babys und...» SCHON WIEDER HAT DIE KIRCHE DIE HAND IM SPIEL!
Na ja? wir hatten kein Glück. Wir sahen wohl Bäume, vollbehangen mit Affen, die fröhlich «Uuuh, uhhh!» riefen, als wir im schaukelnden Boot vorbeipaddelten.
Doch die schwerfleischigen Monogamen zeigten sich nicht. Vermutlich wollte ER sie mit unserem Anblick nicht in Versuchung führen.
Oder sie hatten gerade Baby-Urlaub.

Samstag, 24. März 2012