Von Miami, wo nicht nur die Sonne lacht

In Miami scheint die Sonne. NA KLAR. HIER LACHT DOCH IMMER DIE SONNE. AUCH WENN VIELES ZUM HEULEN IST.
Jetzt vibriert die Quecksilbersäule eben um 32 Grad. UND WER STEHT DA AM ZOLL IN DER SCHLANGE? IM WINTERMANTEL UND DEM ELLENLANGEN WOLLHALSTUCH VON TANTE ELSIE? Drei Mal dürft ihr raten!
Während sich Schweissbäche wie Wasserfälle auf unsere sechs Koffer ergiessen, entspannt sich ein hitziger Dialog an einem noch hitzigeren Miami-Sonntag: «ICH FÜHLE MICH WIE EIN SCHNEEMANN IN DER SAHARA? WIR NEHMEN EINEN DRIVER. UND FAHREN SOFORT INS NÄCHSTE HOTEL MIT POOL!»
«Wir könnten doch wieder in diese Pension vom letzten Jahr...»
«NEEEEIN!» Ich meine? der Preis war ja ganz o.k.
Aber das einzig Coole, das funktionierte, war der schwarze Nachtportier. Ansonsten: Klimaanlagen «out of order». Und am Ventilator, der in unserem verstaubten Doppelzimmerchen etwas Luft durchschwingen sollte, baumelte ein Mobile von verglitterten Weihnachtskugeln an den Propellern...
Soll ich noch mehr ausholen? Nur so viel: ZUM FRÜHSTÜCK GABS KÄSIGE SCHEIBLETTEN. DIE SCHWITZTEN NOCH MEHR ALS WIR AN DIESEM VERMALEDEITEN MIAMI-SONNTAG...
Deshalb: «LEG SOFORT EINE ANDERE PLATTE AUF, SONST LASSE ICH DEN FAHRER VOR DER TIFFANY-BOUTIQUE HALTEN...»
ABER HALLO: Da war endlich Ruhe im Fond. Und wir fuhren bei «Loews» vor? einem dieser Miami-Brocken aus den Art-Déco-Jahren und alles auf Hochglanz gewichst.
Das Publikum, das in Miami Beach verkehrt, verkehrt total verkehrt. Alles tut auf chic, chillt Armani-gestylt herum und zieht sich Reihen von Koks vom Spiegel. Nun gut. Der Empfang war ordentlich. Nichts zu rütteln: Sie tupften uns sofort mit Cologne-Tüchlein ab, brachten überpfefferte Curry-Chips und einen derart geeisten Welcome-Drink, dass wir drei Tage lang an Diarrhö litten, wenn ihr wisst, was ich meine. Dazu immer «HELLO GUYS», was Innocent, der seine Ohren im Safe unseres New Yorker Hotelzimmers liegen gelassen hat, zur Bemerkung hinriss: «Die haben dich aber subito durchschaut? jeder sagt «hallo Geiss!» zu dir. SEHR SPASSIG.
Am Hotelpool lagen sie dann in Schichten. JEDE FRAUENFIGUR EINE TWIGGY. JEDER MANN EIN CLOONEY IN TASCHENFORMAT? also ehrlich:
Da bist du dir daneben doch wie der Kartoffelsack im Heer der paradierenden Totenkopfäffchen einer Karl-Lagerfeld-Show vorgekommen. Und als mich dann noch ein Kellner anmachte: «Hello dear, do you know this man?» Ja, als er auf ein herumirrendes Etwas in diesen verflixt verfilzten Badehosen aus der Gründerzeit zeigte, ein ETWAS, dessen Bauch wie die Hefekugel im Dampf schwabbelte und das T-Shirt drei Finger breit über dem Nabel aufhörte, ALSO DA HABE ICH MEINEN FREUND VERLEUGNET WIE PETRUS DEN HIMMLISCHEN SOHN. Natürlich war kein krähender Hahn weit und breit? nur einer dieser versnobten Concierges in ihren geliehenen Kaminfegeranzügen, der toste: «Servieren Sie diesen Mann sofort ins Hallenbad ab? dort ist um diese Zeit kein Mensch. UND DAS IST GUT SO!» Dreckschleuder, der!
Die Bombe platzte aber erst, als wir unsere teuren Kaschmirmäntel aus dem Hause Habsburg sowie den Wintershawl von Tante Elsie im Gepäckraum deponieren wollten. ICH DACHTE NICHT IM TRAUM DARAN, MIT EINEM KASCHMIRMANTEL IN DEN DSCHUNGEL VON HONDURAS AUFZUBRECHEN? und deshalb: «Sorry. Wir möchten drei Koffer und diese Winterkluft bei euch lassen... wir sind in ZWEI Wochen bäck.»
GEFUCHTEL. GESCHREI. ALARM!
«It?s impossible... absolutely not!», schrie die Concierge-Kaminfegergemeinde durcheinander.
Länger als drei Stunden dürfe ein US-Hotel nichts von den Gästen aufbewahren. SECURITY! Und man wisse ja, was am 11. September passiert sei...
Wir verlangten die Direktion, dann die Obersten Richter und schliesslich Obama! NICHTS ZU MACHEN. Sie schoben uns einen Zettel zu, auf den eine Adresse gekritzelt war. «Das ist ein öffentliches Depot...», gab Frau Loew durch und wedelte mit der Adresskarte: «Bringen Sie Ihren Krempel dorthin!»
MEINE LAUNE KÖNNT IHR EUCH JETZT VORSTELLEN. DANEBEN IMMER HERR INNOCENT MIT «Wassiss?... woisss?... werisss? ICH BEZAHLE NICHTS!»
Gut. Wir also mit Wintermänteln, Koffern und Scheisslaune ins Taxi. Die Fahrerin hiess Ann. Als sie die Adresse sah, stiess sie einen spitzen Schrei aus. Und weigerte sich diese Gegend zu befahren.
Der vierte Driver, ein Mexikaner mit eingeschossenem Auge, fuhr uns immerhin ans rechte Ende der Welt, wo die Häuser nicht mehr hoch und Miamis Strassen nicht mehr sonnig waren. Vor einer Baracke hielt er an, schoss mit der Pistole zwei Mal in die Luft.
Und dann kam Jimmy. Der machte zuerst grosse Show mit Formularenausfüllen und so. Dann überprüfte er die Pässe, sämtliche Kreditkarten und alle Telefonnummern unserer Verwandten. Endlich wurden wir als «zwei softe Tuckies im Kaschmirfummel» amtlich registriert. Dann führten sie uns in eine zweite Baracke, wo ein Bretterverschlag Mexikanerkindern als Schiesswand diente. Direkt hinter den Gewehrsalven deponierte Jimmy unsere Koffer.
Die beiden samtweichen Habsburger darüber.
Einer hatte schon vier Einschusslöcher.
Natürlich war der einäugige Taxi-Driver weg. Und wir marschierten drei Stunden bei 35 Grad ins Hotel zurück. Dort berieben sie uns zum zweiten Mal mit kölnischen Abtupftüchern.
Innocent tat, als wäre es für ihn das erste Mal und rief nach dem Welcomedrink. Aber sie durchschauten ihn. Und brachten einen Apfel. Auf dem Kingsize-Hotelbett lag ein Prospekt mit dem PR-Spruch: MIAMI? WO NICHT NUR DIE SONNE LACHT. Wo die Recht haben, haben sie Recht.

Samstag, 3. März 2012