Von Liesels Besuch als Geier-Wally und dem Kampf für die Fasnacht?

Donnerstag Innocent hockt auf der Rigi.
ISTJAKLAR!
Immer an der Fasnacht schleicht sich das alte Schlitzohr auf seinen Schneehügel. Macht auf Melancholie. Und rührt die Fonduesauce an.
RÜHREND. RÜHREND.
Dieses Jahr hat mir der Hallodri aber ein Sonder-Ei gelegt.
Ich hänge also am Samstag in fasnächtlichem Vorfieber alle meine schönen Kostüme an die Bügel und will eben in Richtung Hotel am Rhein entschwinden. Da fährt ein Taxi vor. Der türkische Chauffeur flucht über die ganze Strassenseite: «Issa hier, Frau... issa kein Umweg. Ich nix bescheiss altes Frau wo nackiges Herz!»
UND DANN STEIGT DIE LIESEL IN EINEM KOSTÜM AUS DER KARRE, DASS ICH NUR NOCH DIE HAUSTÜRE ZUSPERREN UND BETEN KANN.
Sie kommt als österreichisches Trachtenprinzesserl. Und sie sieht aus wie die Ur-Muhme der Geier-Wally? nur ist sie mehr Geier als Wally.
Selbst der türkische Taxichauffeur weiss nicht mehr, wo er hinschauen soll, wie das Trachtenmutti da in seinem Eierkörbchen rumfummelt und nach dem Geldbeutel grabscht. Ihr Busen, schrumplig wie das Faltengebirge, fällt mit dem Kleingeld in den Korb. Hurtig rüscht sie die Knödel wieder ins Mieder und schellt frenetisch an der Haustür.
ICH ABER BIN DAHINTER VERSTECKT.
Da höre ich doch tatsächlich die Stimme unserer nicht gerade hellen Haushälterin durch den Gegensprechapparat: «Ist da jemand?»
«Freuts euch schon, ihr liaben braven Leut, die Liesel ists? ihr kennt sie am Geläut!», so scherzt die Trachtenprinzessin in salzburgerischen Holperreimen.
UND ANNICK, DIESE DUMME KUH, DRÜCKT DOCH TATSÄCHLICH AUF DEN ÖFFNER.
Tausend Mal schon habe ich ihr gesagt, sie soll nicht jedem Trottel einfach öffnen. Aber da kann ich ja in den Wind reden.
Schon steht das Unglück im Hausgang, drückt mich ans welke Fleisch und jault: «Jaaa mai liebs Buaaberl... hast aufs Lieserl gwortet... au mai, das is aber liab... y hob dir au den Wolfi oss Kugerl mitbrocht...» (Gemeint sind die Mozartkugeln Wolfgangs, diese übersüssten Kalorienknaller mit der Marzipan-Innenseite, so hart wie die Politik des Haider selig.)
«Ich wollte eben auf den Friedhof...», wehre ich die Stürmische etwas gereizt ab.
«Ja mai? wer iss denn hin?»
«Nix ist hin. Ich besuche vor dem Fasnachtsfest immer die befreundeten Toten und lege ihnen Mimosen hin... das ist eine schöne Tradition und...»
«Da komm y mit zue den Mausigen...»
Bei Liesels Outfit werden mir ja die Mimosen noch vor dem Abend starr. DAS MUSS NICHT SEIN!
«Annick wird sich oben deiner annehmen...», erkläre ich dem Salzburger Occasions-Outfit. Und jage mit meiner Bagage schnell davon.
Dann rufe ich per Handy der Haushälterin an: «Wenn Du noch einmal einfach irgendeiner Schelle die Türe öffnest, musst du zur Strafe die Vorfenster putzen! Binde die verhunzelte Tante aus dem Land der Lederärsche ans Bett. Und verrate ihr auf keinen Fall, in welchem Hotel ich abgestiegen bin...»
So wurde es dann doch eine schöne, stimmungsvolle Fasnacht bis gestern Mittag, als mich der Portier des berühmten Hotels am Rhein in meiner Kammer telefonisch alarmierte: «Geschätzter Herr? an der Reception steht etwas, das sich als Dolly Buster verkleidet hat und behauptet, Ihr Prinzesschen zu sein... soll ich die Dame raufschicken?»
DA SEI GOTT VOR! «Die Dame ist gar keine...», erkläre ich dem Hörer. «Sie ist so seltsam zusammengesetzt wie die Regierungspartei ihres Landes... sagen Sie ihr, ich sei nicht da...»
Ich höre ihn sagen: «Er sagt, er sei nicht da...»
Dann Gekreische.
Höchsttöne wie Lulu auf der Abfallhalde. Und das Rufen des Concierges.
«Haltet die Frau... sie ist ein Mann und trägt zwei Bomben im Busen...»
So ist es gekommen, dass gestern, wo die wunderbaren Cliquenzüge am Comité und somit auch an meinem Schreibblock hätten vorbeiparadieren müssen, das «böse Buaberl» die Geier-Wally zum Bahnhof auf den Zug in Richtung Rigi Kaltbad abgeführt hat.
Abends dann (ich war eben daran, ein paar stimmungsvolle Sätze über das herrliche Aufbrausen der Trommeln vor dem Schlussgang in den Computer zu jagen), am späten Abend also rief mich Innocent von der Rigi an: «Also das verzeih ich dir nie! Wie konntest du sie mir in dieser Aufmachung hier raufschicken? Die japanischen Touristen hielten sie für das jahrhundertealte Geheimnis des Appenzeller Käses und knipsten wild drauflos. Und das Marieli hat mich scheel angeguckt:?Du wirst mir auf deine letzten Tage hin doch nicht auf diese miese Sennentuntschi-Nummer reinfallen...?!?»
ICH LEGTE AUF.
Draussen donnerte die Fasnacht ihrem Finale entgegen. Ohne Liesel. Aber mit dieser zerfallenen Tristezza eines verwelkten Busens, der demnächst ins AUS versinken wird.
Der heutige Donnerstag würde trist werden.
Doch irgendwo erwarten mich die Süsskugeln vom Wolfi daheim.
Und das ist ein tröstlicher Gedanke.

Donnerstag, 5. März 2009