Von einer neuen Küche und dem brennenden Herd

Natürlich hätte ich die neue Küche nicht von Umberto bauen lassen sollen.
Aber Franco hat mir die Ohren vollgejammert: Umberto sei der beste aller Schreiner in diesem vermaledeiten Lande der Ladroni.
Ok. Umberto ist Francos Schwager. Und jeder weiss, dass in Italien die Familie der kleinste Kern einer ureigenen Mafia-Bande ist. Nur die ganz grossen Deppen kapieren das nach 40 Jahren Italien immer noch nicht.
Franco umklammert also meine Knie: Umberto hat seinen Job verloren. Schuld ist Berlusconi. Schuld ist die Kirche. Und Schuld hat vor allem der Schwiegervater, der sich in alles einmischt.
Kommt dazu, dass Umbertos Frau Elena an einer schlimmen Krankheit leide. Nein. Franco wolle den Namen des Schrecklichen nicht aussprechen. Damit würde man das Böse nur provozieren. (Franco schluchzt in meinen Hosenbund. Schneuzt sich die Nase auf den Küchenboden aus ? auf ­meinen Küchenboden! Und hat diese seltsamen roten Augen, die ich nur von Innocent nach drei gekühlten Grappa kenne.)
DOCH NICHT GENUG DES ELENDS: Da sei auch der erblindete Sohn Ugo. Es breche einem das Herz, wenn man ihn mit seinem ­weissen Stock durch die Strassen tappen sehe.
ALSO: ICH SOLL MEINEM HERZEN EINEN RUCK UND UMBERTO DEN AUFTRAG GEBEN! Die ganze Familie sowie dieser neue freundliche Papst würden es mir mit 30 Rosenkränzen vergelten.
JA, WER KANN DA NEIN SAGEN? Auch wenn mir ein bescheidenes 18-Karat-Collier fast noch lieber wäre als 30 Gebetsketten.
ABER WIR WOLLEN MAL NICHT SO SEIN.
Ich gebe also Umberto den Auftrag. Mache ihm eine Vorauszahlung. Und schon spielen die Engel auf den Harfen das Lied der wunderbaren Versprechungen: Es soll eine Küche werden, wie sie ganz Rom noch nie gesehen hat!
Und das wurde sie dann auch. DREI TAGE NACH MEINER VORAUSZAHLUNG HABE ICH DEN BLINDEN SOHN AUF EINEM FRISIERTEN OCCASION-MOPED HERUMJAGEN SEHEN.
DIE TOTKRANKE GATTIN VON UMBERTO HACKTE DIE ANDERE HÄLFTE DES VORSCHUSSES AB, UM MIT DEM GELD EINEN SALSA-KURS ZU BELEGEN.
UND NATÜRLICH HAT UMBERTO IN SEINEM LEBEN NOCH NIE EINEN HOBEL IN DEN HÄNDEN GEHABT! AUSSER DENJENIGEN, MIT DEM ER IN DER MÄNNERRUNDE IMMER DICK ANGIBT!
Wissen wir jetzt, weshalb in Italien keiner dem andern traut? WIR WISSEN ES!
Sie rupften die alte Küche von den Wänden, wie die letzten Zähne der betagten Cartucci. Dann fuhr ein Auto von Ikea vor.
«Das ist Tarnung», flüsterte Umberto, «wegen der Steuern ... wir zeigen denen die Rechnung über einen schwedischen Einbauschrank. Der Rest geht schwarz unter der Hand. Wir sparen die Steuern sowie 21 Prozent Mehrwertsteuer.»
Mein aufrichtiges Schweizer Herz protestiert. Ich mache keine krummen Steuersachen. Schon gar nicht in Italien, wo Monti uns doch allen ins Gewissen gepredigt hat. UND VOR ALLEM WILL ICH KEINEN SENFGRÜNEN IKEA-SCHRANK MIT EINEM PLASTIK-DONALD-DUCK ALS HANDGRIFF! «Der war eine Aktion für kinderreiche Familien», flüstert Umberto.
Ich mag es gar nicht lange ausdiskutieren. Man muss wissen, wenn man verloren hat. Umberto bekam mein «Acconto» geschenkt. Und auf meinem Steuerbeleg steht jetzt unter «einmalige Spende»: «FÜR DREI ROSENKRANZGEBETE SOWIE EINEN SALSA-KURS? 800 EURO.»
So Gott will, kann ichs abziehen ...
Mimma hat mich dann in eines dieser extravaganten «Schöner Wohnen»-Studios mitgenommen. Alles sah so unberührt keusch aus, wie frisch Verschneites. Jedenfalls haben sie mir dort die klare Linie gepredigt.
Natürlich hat diese coole Linie ihren heissen Preis ? ich könnte für die kühle Sachlichkeit auch einen Flug ins All buchen. Der Preis wäre derselbe. Eine entsprechend ulkige Bemerkung wird vom Innenarchitekt mit einem verzerrten Lächeln quittiert. «Wenn Sie Sternchen wollen, müssen Sie schon zu Ikea gehen.»
WIE GESAGT: NULL SCHNÖRKEL ? ZERO HUMOR! Und dann habe ich unterschrieben.
Ok. Die Küche ist wunderbar hell. Und eigentlich sieht sie aus wie diese modernen OP-Säle in den aktuellen Arztserien. Kommt hinzu, dass die Style-Beraterin all meinen Nippes, die lustigen Engelchen und die Froschsammlung weggefegt hat wie der Exorzist das Böse aus der Seele. Man versöhnte mich mit einem zwei Meter langen Backofen, in den ich vier Pizzas nebeneinander reinschieben kann. Die Ofenfunktion habe ich allerdings nicht geschnallt und nachgefragt.
Die Stimme lachte: «Aber Leute mit unseren durchgestylten Küchen lassen das Essen vom Caterer kommen. Und wenn Sie den Ofen wirklich brauchen, lassen Sie ihn zuerst einmal drei Stunden auf 250 Grad heizen, damit die Schadstoffe verrauchen.»
Also stellte ich auf 250 Grad. Ging drei Stunden ins Kino. Und kam zurück, als die Feuerwehr eben die Schläuche einrollte. Ich hatte die Gebrauchsanweisung der verschiedenen Elektroapparate wie Grill, Induktionsherd, Waschmaschine et cetera im Ofen nicht gesehen ? UND DEN REST KANN SICH JEDER SELBER AUSMALEN.
Gottlob stellt mich Franco seinem Neffen vor, der ein Malergeschäft und einen arbeitslosen Sohn hat. Die Frau des Neffen, dieses gemeine Luder, hat sich mit einer Feministin aus dem Staub gemacht. Sie hat ihren beiden Männern zum Abschied mit Zeige- und Mittelfinger die Schere gezeigt ? UND JEDER WEISS, WAS DA ABGESCHNITTEN WERDEN MUSS.
Jedenfalls hat das Miststück die Türe geknallt. Ward nie mehr gesehen. Und hat die beiden Männer mit drei Dobermann-Welpen sowie einer Meerschweinchen-Zucht alleine zurückgelassen. OB DAS NICHT SCHLIMM SEI ? UND WO ICH ES DOCH MIT FRAUEN AUCH NICHT KÖNNE!
Jedenfalls versprechen sie, dass die Brandstätte wieder eine wunderbare Küche wird.
NUN GUT ? ICH BERAPPE DAS ACCONTO.
Und den Donald-Duck-Kasten haben wir ja schon.

Dienstag, 16. April 2013