Von der Meereszwiebel und Vanillesauce von Liesel

Donnerstag Innocent krebste zuerst ein bisschen rum. Dann flötete er «Pumperl, soll ich dir einen kleinen Espresso machen? mit Karamelgeschmack?». NA, DA WAR ICH ABER HELLHÖRIG.
«Pumperl» ist selten. Und mit Bedienung sonst gar nix. «WAS IST LOS!»
Er wendete sich wie ein Zapfenzieher: «Die Liesel kommt!» BINGO.
Genauso gut hätte er mir die Sintflut ankündigen können. Sie kam in einem dieser mit elastischen Fäden durchwobenen Pullover, der ihre Möpse abzeichnete, als würde sie Mortadella schmuggeln. Innocent gierte hin wie Lumpi zur Lyonerwurst.
«Ach Lieselchen, du Höllenweib? wie hast du uns gefehlt!» Er drückte sie an sich, was mit Schwierigkeiten verbunden war? denn oben ihre Möpse. Unten seine Wampe.
«GUTEN TAG!», unterbrach ich die Rührszene eisig.
«Na s? Buaberl», kreischte Lieserl auf, «fesch schauschst?s aus... host wider e Paar Pfunderl zuglegt! Wien-a roosigs Nilpferderl.»
Da beschloss ich sie umzubringen. Michi hat mir den Schlüssel zum Mord gegeben. Das mit Michi kam so. Als er mit meiner Freundin Catherine meinen Hotelservice auf der Insel beanspruchte und im Garten nach erlesenen Kräutern, hausgewachsener Minze und wildem Fenchel für sein Apotheker-Museum Ausschau hielt, schrie er plötzlich wie von der Hornusse gestochen: «JAUMSHIMMELSGOTTSWILLEN!»
Atemlos und kalkweiss im Gesicht zeigte er auf ein Pflänzlein inmitten der wuchernden Süsserbsen: «Mit einem Blättchen davon killst du die ganze Berlusconi-Mannschaft!»
SO ETWAS DARF MAN NICHT SCHREIBEN. WENN ER MORGEN MAUSE IST, BIN ICHS NOCH GEWESEN. Aber wie gesagt, ich dachte weniger an Berlusconi als an Liesel. Deshalb: WIE MACHE ICH DAS?!»
Michi schickte mir dann diesen verschwörerischen Blick, den man in den Sonntags-Tatort-Filmen immer wieder sieht: «Du pulverisierst so ein Blatt. Und mischt es unter die Vanillecreme. Nach einigen Minuten erfolgt Herzstillstand. Was da wächst, ist nicht ohne? es ist eine Scilla Maritima. Und voll von Gift!»
Ach Gottchen. Dieses gedrungene, klein gewachsene Pflänzlein, das sie im Volksmund «Schwiegermutter-Halleluja» nennen, soll eine so grosse Wirkung haben?
Andererseits? weshalb nicht? Sind Italiens und Frankreichs Präsidenten nicht auch kleine Pflänzchen mit enormer Wirkung...?
Ich begann die Meereszwiebel mit Respekt zu betrachten. Einst hatte sie mir Annunziata geschenkt. Annunziata ist das, was man heute am Fernsehen über eine Nummer anrufen und schicksalsmässig um Rat bitten kann. Nur hat Annunziata keine Nummer. Die Insulaner pilgern zu ihr, um für schwengelschwache Männer, lendenarme Töchter oder auf die falsche Seite entflammte Liebhaber ein Gegenmittel zu erflehen. Sie bringen Annunziata Eier, Kaninchen und Fünfliterflaschen mit diesem schrecklichen Fusel, den sie Grappa nennen.
Dieser Annunziata habe ich einst drei Glas von meiner legendären Quittenkonfitüre aufs Wackeltischchen gestellt: «Er hört nichts mehr. Nur noch das, was er will. Hilf mir...»
«Wie alt ist er?»
«Bald 100».
«Un cane vecchio non cambia...»
Klar, ist er ein alter Hund, der sich nicht ändert... aber irgend eine kleine Hilfe oder einen Ratschlag kann sie mir doch wohl auf den Weg geben. SIE GAB MIR DIE SCILLA MARITIMA. Ich habe diese bräunliche Zwiebel mit den scharfzüngigen Blättlein zwar dekorativ aber nicht sehr hilfreich gefunden. Deshalb kam sie zwischen die Erbsen? bis Michi sie biologisch ausdeutete: «GIFTKLASSE EINS!? ABER LEIDER KANN MAN DAS GIFT BEI EINEM TODESFALL NACHWEISEN...»
Also das ist das geringste Problem. Ich kenne den Gerichtsmediziner unserer Provinz. Wir sind in derselben Sauna.
Längst schon habe ich die Giftpflanze aus dem Erbsenbeet ausgebuddelt. Und an einen verschwiegenen Platz hinter die Schirmpinie umgetopft...
Wenn mir nun jemand zünftig auf den Sack geht, mache ich meinen kleinen Spaziergang zur Meereszwiebel.
SEIT MICHI WEISS ICH, WAS ICH WEISS.
Das gibt mir Kraft. Alle Möglichkeiten sind offen.
«Lieselchen», sage ich. Und grabe mein liebenswertes Näslein zwischen ihre Mortadellas? «Lieselchen? au mai, wie y mi frai, dass du daa bisch...»
Dann zwicke ich sie in die überpuderten Wangen: «Morgen gibts dein Lieblingsdessert? heisse Kirschen an Vanillesauce!»
«Du mai liebes Schatzerl!» jodelt sie. Dann holt sie ein Säcklein aus ihrem Vuitton-Rucksack: «Des isch für mai Pumperl... Vanillekipferls, von der Liesel selbi gmocht...»
Vanillegipferl?
ICH BIN DOCH NICHT BLÖD!
«Danke Liesel!», sage ich.

Donnerstag, 18. Juni 2009