Von der Liftingcreme und Cha-Cha-Cha...

Donnerstag Also das war mal wieder SO EIN TAG!
Ich meine: Es war der Donnerstag, wo die Vögel stumm rückwärtsflogen. Und der Briefträger nur Mahnungen brachte.
Überdies war ich mit meiner Fernsehcrew zum Tanzen verabredet. NICHT WIE SIE MEINEN! Die jungen Drehbuchautoren von heute haben den Tango-Dreh eh nicht raus. Nein. Die Kamera-Boys wollten einfach festhalten, wie so eine Tanzschule funktioniert? Cha-Cha-Cha und so.
Natürlich bin ich bereits zu spät. Kein Mensch kann sich vorstellen, was es heisst, 190 Lebendpfunde für die Kameras herzurichten.
Ich pflastere also vor dem Spiegel diese milchige Creme auf, die den seltsamen Namen «SCHNELL-LIFT» hat. Die Werbung verspricht, dass Furchen und Runzeln wie durch Magie innert drei Minuten verschwinden würden.
Am Parfümstand in diesem Warenhaus, wo all die Düfte von Chanel, Arden und Ricci die toten Fische am Traiteurstand daneben in einer wohlig-süssen «Rêve-de-nuit»-Wolke auf die letzte Reise schicken? am Parfümstand also hat man mir versichert, das winzig kleine Tüblein sei seinen Wahnsinnspreis mehr als wert.
«Sie müssen es sparsam auftragen... dann reicht es für sechs Lifts», sagt lächelnd die grell-hell erblondete Verkäuferin mit dem hochtoupierten Kopfhaar, das aussah wie eine Doppelportion erstarrte Zuckerwatte.
Also kaufte ich das Tüblein. Und hätte mir für den Preis auch einen Ferrari leisten können. Nur glättet der Ferrari nicht? aber ich brettere wieder mal vom Thema ab. Und das Thema ist die fünffache Salbung.
Als nämlich auch beim fünften Mal nichts, aber auch gar nichts Erfreuliches mit meinem Gesicht passierte und die Backen noch immer wie zwei Boxer-Sandsäcke runterhingen, da habe ich den Rest der Tube auch noch draufgeklatscht. Und zu meiner lieben Mutter gebetet: «So tu endlich etwas... Du hast ja immer gewollt, dass dein Kleiner eine zweite Shirley Temple wird!»
NA? DA WAR ICH BEREITS EINE HALBE STUNDE DRÜBER! UND MAN DARF ALLES WARTEN LASSEN? NUR NICHT DIE SHOW!
Frisch gestrichen rannte ich also zum Tram, das eben anscherbelte. Genervt gings an den Billettautomaten: «HALTET MIR DIE TÜRE OFFEN...»
Natürlich funktioniert der Billettautomat nicht!
Immer wieder spuckt er mein Zweifrankenstück unten raus. Ein böser Spuk? oder hier Spuck!
Und die Frau am roten Türknopf ruft: «Wir können hier nicht übernachten!» So gehe ich dann eben ohne Billett. Schon rufts durch die Sitzreihen.
«Alle Fahrausweise vorweisen, bitte!»
NA BINGO. Da war dann aber die Hölle los.
Diesen Männchen habe ich mal deutlich die Meinung gebuttert. Das mit dem rausspuckenden Zweifränkler passiert mir nämlich immer wieder.
UND WIE SCHÖN WAR DOCH DIE ZEIT MIT DEN BILLETEURS, DIE EINEM DAS TICKET VOM BLOCK RISSEN, MIT DER KNIPSZANGE DRAUFLOSLÖCHELTEN UND DAS HERAUSGELD AUS DER FLACHEN METALLKASSE KLICKTEN.
Na ja? jedenfalls ging hier nun ein Riesentanz ab... und Wehklagen. Also dass gerade Sie, Herr -minu... eine alte Trämlerstochter, und ihr lieber Papa würde sich als Gewerkschafter im Grabe umdrehen.
«Er ruht in der Urne», sagte ich bissig.
Kurz und gut: die alte Leier. Ich blechte die Strafe und kam dann prompt zu spät in die Tanzschule. Die Kameramänner standen ausser Atem da. Sie hatten nicht etwa gewalzert, sondern waren daran, eine riesige Luftmatratze aufzublasen. Auf diese sollte mich Herr Urfer-Fromm am Schluss des Drehs, wenn er mir den Tango mit der heissen Rückgratbeugung zeigen würde, fallen lassen.
DAS GANZE WAR EIGENTLICH ALS GAG GEPLANT. MEINE 190 PFUND SATTFLEISCH SOLLTEN AUS DEM BILD FALLEN. GROSSES ERDBEBEN. UND HERR URFER-FROMM FRÖHLICH: «NUR KOCHEN IST LEICHTER...»
So stands im Drehbuch, mit dem kein Oscar zu gewinnnen war.
Überdies sollte ich vorher den Pärchen beim Cha-Cha-Cha zuschauen. Und von einer Dame zum gemeinsamen Formationstanz aufgefordert werden.
Da cha-cha-chatete ich also übers Parkett. Als Herr Urfer-Fromm mir dann den Rücken knickte und ich in Tango-Positur aus dem Bild donnern sollte: DA WAR DIE MATTE NICHT MEHR DORT. Irgend so ein Trottel hatte sie in die andere Ecke verschoben.
Nun ist eine Delle im schönen Holzboden? und mein Rücken lädiert.
Spätnachts humpelte ich vom Dreh heim. Innocent guckte misstrauisch:
«Du schwankst? dein Gesicht ist zündrot. DU HAST DOCH NICHT ETWA GETRUNKEN?!»
Ich schaute in den Spiegel.
DIE FALTEN WAREN IMMER NOCH DA. Aber mit ihnen nun auch eine Allergie? 100'000 zarte rosige Bläschen wucherten über mein Gesicht wie die Saublumen im Biofeld.
Manchmal fährt der Mensch mit dem Ferrari doch besser als mit der Liftingcreme.

Donnerstag, 12. März 2009