Von den Mühen, ein Star zu sein und fliegenden Engeln...

Donnerstag Seit ich fürs Fernsehen diese kleinen Filmchen mache, weiss ich, dass Marilyn Monroe sehr gelitten haben muss.
Ich verstehe nun auch die Garbo, weshalb sie nie gelächelt hat. Und Herr Juhnke mit dem Griff zum Glas hat mein spätes Einsehen.
FILMEN IST TORTUR PUR.
Und wenn man dann noch einen fliegenden Engel mimen muss? TORTURISSIMO!
Das mit dem Engel war Nicos Idee.
Nico ist Jungfilmer. Naja. Eigentlich ist er nur Kabelträger in der lokalen Drehanstalt. Aber sie haben ihn für meine Sendung an den Apparat gelassen. Und weil er im letzten Bond-Film sogar in dieser Bregenz-Opernszene mit 200'000 andern als Komparse im Publikum «ohhhh» sagen durfte, hat Nico nun Hollywood erfunden.
NUN ALSO AUCH DEN ENGEL.
«Als Abschluss der diesjährigen Teleserie lassen wir dich als heumfliegenden Engel im All verschwinden...»
«Aha.» (Es hat gar keinen Sinn zu widersprechen. Kameramänner oder Regisseure haben mit Herrn Blocher eines gemeinsam? die angepeilte Optik darf nicht geändert werden. Sonst wankt das Weltbild.)
Deshalb also «aha».
Nico (etwas gereizt): «Jawohl aha. Ich kann das technisch über den Computer steuern. Du schaust in die Kamera. Winkst mit einem Zauberstab. Und dann lasse ich dich lossausen wie diesen Ballon, den man mit lautem Luftfurz durchs Zimmer jagen lässt...»
MIR IST NICHT WOHL BEIM GEDANKEN, EIN HERUMJAGENDER BALLONFURZ ZU SEIN.
Eigentlich sehe ich meine kleinen Filmmomente eher in getragenen, majestätischen Rollen.
«Könnte ich mich nicht einfach mit hoheitsvollem Nicken und dezentem Lächeln und Ihnen allen ein gutes, frohes neues Jahr und Frieden auf Erden verabschieden? Ich könnte mir ein königliches Schleppenkostüm in Purpur und dieses herrliche Diadem aus dem Fundus der Schneekönigin vorstellen...»
Nico schaut nun mit der herablassenden Erfahrung eines Stars, der an der Emmenbrügger Bond-Premiere auf dem roten Teppich gelaufen ist: «SCHEISSDRECK! Wir drehen hier doch keinen Werbefilm für Manors Blutwürste. Nein? du wirst eine Sturmweste mit Schal tragen. Der soll dann im Winde flattern, wenn du in die Galaxis abhebst...»
Beim Schal hatten wir dann schon mal die erste Krise.
Ich griff zur Seiden-Echarpe von Hermès? derjenigen mit den lustigen Pferdeköpfen drauf. Aber dem Starregisseur passte die Firma nicht ins politische Umfeld der Galaxis: «Uni. Es muss uni sein, damit es sich vom Hintergrund abhebt. Stell dir diese kitschigen Pferdeköpfe zwischen den himmlischen Sternen vor...»
Er schüttelte sich wie Bond vor einer Schwulensauna.
Bei der Sturmweste hat ihm dann die Frau vom Kostümfundus einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die beiden keiften einander an wie zwei Kampfhunde vor einer Dose Chappi. Mir gaben sie so viel Beachtung wie einem entsorgten Kaugummi auf dem Asphalt:
«In seiner Grösse gibt es keine Sturmwesten. Die hören bei Nummer 52 auf. Was drüber ist, sieht wie ein herumfliegendes Ikea-Sofa aus. Soll da etwa ein Ikea-Sofa zu den Sternen geschickt werden?»
«Dann bauen wir ihm halt so eine Weste», brüllte der Regisseur.
«... und WIE BITTE, mit einem Budget von 2.87 Franken für die ganze Ausstattung?», meinte die Gewandmeisterin spitz.
So kam ich in meinem normalen roten Kittel und dem lachsfarbenen Pashmina-Schal von Zara ins Bild. Sie hatten das Studio mit blauem Stoff ausgelegt. Am Boden war ein fahrendes Brett auf Rollen. Da schickten sie mich drauf. Bäuchlings. Und erstmals dankte ich meinem Personal Trainer für dessen Gleichgewichtsübungen.
«Lieg nicht einfach wie ein Abfallsack da!», tobte die Regie.
«KOPF HOCH. BEINE SPREIZEN. Und Arme rausschwenken? JA HIMMEL, ES MUSS DOCH AUSSEHEN, ALS WÜRDEST DU FLIEGEN...»
DA FLOG ICH DANN AUCH.
Annick, die zweite Kamera, hatte nämlich nicht ihren Tag. Sie hatte schon bei den Aufnahmen zu Weihnachtsmann Wanner dessen kleine Teddybären zu Brei getreten und aus den Maria-Kugeln Schrott gemacht. Nun kam sie aus Versehen ans Rollbrett, auf dem der Engel bäuchlings lag. Schon jagte ich wie eine verspätete 1.-August-Rakete durchs Studio. Und leider war da dieser riesengrosse Scheinwerfer? ES ZISCHTE. KLIRRTE. Dann hatte ich Millionen von wunderbaren Glassplittern im Haar, und es sah doch noch aus wie ein Diadem...
Sie wollten dann die Szene mit diesem Politiker, der auch immer eine rote Jacke trägt, doubeln.
«Fragt ihn an, der hat noch nie Nein gesagt», meinte Loisi, der erste Kameramann.
Aber ich schüttelte mir die Scherben aus den frisch gelegten Dauerwellen und klopfte den Studiostaub von der Hose. «Genug. GENUG! Ich werde auf dem Münsterplatz mit dem Basler Posaunenchor «Vom Himmel hoch» intonieren, kurz winken? und mit einer Verbeugung aus dem Bild gehen...»
«EINE WUNDERBARE IDEE...», meinte Nico.
«DAZU TRÄGST DU EIN LANGES, WALLENDES GEWAND UND VIELLEICHT EINE GOLDKRONE IM HAAR...»
Na also? warum nicht gleich?

Donnerstag, 11. Dezember 2008