Von Buchvernissagen und dem Tabu des Äffis...

Mittwoch «JA HAST DU NOCH ALLE EIER!?»
Innocent brüllt sich die Gurgel wund. «... und das Äffi ist auch auf dem Foto! DAS ÄFFI IST TABU.»
Nun? der Fotograf wollte ein metaphysisches Gegengewicht zu meinem orangen Anzug. Und da kam ihm Innocents Äffi eben recht.
Das Äffi hat meinen lieben Freund über eine tier- und emotionslose Kinderzeit rübergerettet. Seine verstorbene Grosstante mit dem dramatischen Namen «Hortensia von Schmid» hatte ihm den verfilzten Plüschaffen testamentarisch vermacht. Nachdem die liebe Mamma? sie wurde unter Giftklasse 3 gehandelt? das Schmusetier vergeblich nach eingenähten Brillanten und Dollarnoten untersucht hatte, wurde das Äffi ins Kinderzimmer und die tote Tante zur Hölle geschickt.
«Das Äffi hat viele Tränen gesehen...», snifft Innocent am Morgentisch und hoovert das Müesli rein wie der Laubstaubsauger die Herbstblätter «? und deshalb will ich mein Stück Kindheit nicht mit 100'000 Zeitungslesern teilen!»
Mir ist jetzt klar, weshalb der alte Filzaffe so aussieht, als ob ihn einer aus einer stinkigen Regentonne gezogen hätte. Innocent muss eine sehr feuchte Jugend gehabt haben.
«Und weshalb musstest du ausgerechnet auf der Miller-Coach posieren? Die Leute meinen doch wir hättens...»
HEUTE MORGEN IST ER WIRKLICH NICHT ZU BREMSEN!
Vollmond und Rheuma haben in der Nacht sicherlich das ihre dazu beigetragen. Um drei Uhr morgens ist die Kiste immer noch auf Hochtouren gelaufen. Innocent lag stöhnend vor einer Werbesendung, die Kreissägen mit 167 verschiedenen Zahneinsätzen für einen Vorzugspreis von 99 Euro 99 anbot.
Wir werden bald eine weitere Kreissäge im Hause haben.
Nun ist er unausgeschlafen und grantig wie ein UBS-Banker, der statt dem goldenen Bonus zum Jahresende einen warmen Händedruck und einen Kugelschreiber mit dem Werbelogo «DAS FASS IST VOLL IM ÜBERMASS NULL BONI JETZT FOR YOU & US» in die Hände gedrückt bekommt.
«Überhaupt? du rupfst in deiner Publicity-Sucht unser Privatleben auseinander wie der Pouletgrill die Hühner. NICHTS IST DIR HEILIG. Noch nicht einmal mein liebes, altes Äffi und...»
JEDES MAL WENN ICH EIN NEUES BUCH HERAUSBRINGE, BRINGT ER DIESE AUSGELUTSCHTE LAMENTONUMMER! Innocent verträgt es nicht, wenn die Scheinwerfer für einmal etwas Anderes ausleuchten als seine Wirtinnenverse.
In giftiger Bosheit nennt er mich dann «eine mediengeile Rampensau»!
JA HALLO? DA HÖRE ICH ABER GANZ DEN ARSENIGEN UNTERTON SEINER LIEBEN MAMMA!
Auch Evchen, meine beste Freundin, hat mich gestern etwas spitz angemacht: «Musst du dich eigentlich so wichtig nehmen? Ein Diadem? Nur Zizi Jeanmaire und Frau Königin Mutter sind würdige Diademträgerinnen. Ja bist du denn die Königin Mutter...?!»
Wäre ich schon gerne. Aber dann hätte der Anfang meiner Geschichte wohl nicht in einem Sechsertram-Depot beginnen dürfen...

Donnerstag In der Zeitung lese ich, dass ich an meiner Vernissage lesen werde.
EINTRITT FREI! Bingo!
Das hört sich doch an wie der Auftritt des Just-Bürstenvertreters oder die Einladung zu einer Tupperware-Party.
Verleger Rüdisühli? und mit dem Namen ist natürlich kein Superstar-Wettbewerb zu gewinnen? Herr Rüdisühli also bellt ins Telefon: «Natürlich werden Sie lesen. Jedes Jahr machen Sie dasselbe Theater. Immer zickig. Und kotzige Primadonna. Wenn man Ihnen aber das Mikrofon wegnehmen würde, wären Sie auf Entzug wie der Junkie ohne Stoff... Nein, mein Lieber. Bringen Sie etwas aus Ihrem Diadem-Schinken. Wenn die Reihen dann schnarchen, lassen wir die Korken knallen... haha.»
Herr Rüdisühli ist ein Bruder Lustig.
Er hängt auch gleich noch Bedingungen an: «... und natürlich werden Sie die Bücher signieren! »
ZUM NACHSCHLAG NOCH DIESE TORTUR!
Menschen, die mir mein eigenes Buch unter die Nase halten, bringen mich stets auf 100. Sie befehlen: «Schreiben Sie: «Meinem lieben Mann...»
«Es ist nicht MEIN Mann?»
Natürlich ist es nicht IHR Mann. Es ist MEIN Mann. Also schreiben Sie: meinem lieben Mann...»
«Wenn ich es aber so schreibe, meinen die Leute, Ihr Mann sei mein lieber Mann und...»
«Ja, ich kann mir ja auch ein Buch von Herrn Simmel kaufen. Der tut nicht so kompliziert...»
WIE VIELE LIEBE MÄNNER HERR SIMMEL WOHL HAT?
Und auch kein Diadem!

Donnerstag, 6. November 2008